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Heimat ist ein Gefühl Nr. 12 – Rausch ab

Das lange und schon etwas sommermüde Gras knistert, als ich meinen Kopf darin ablege.  Es ist fast so, als flüsterte es mir ins Ohr: „Nein, nicht jetzt auch noch du!  Dieser Sommer war schwer genug. Zu wenig Sonne, zu wenig Wärme, zu viele Füße, zu viel Wasser. Und jetzt, wo wir fast mit allem durch sind… Jetzt am Ende, jetzt kommst auch noch du und lümmelst dich dahin! Frag jetzt bloß nicht, wie es mir geht“ 

Aber ich beachte das Jammern der geknickten Halme unter mir nicht. Es wird mir überhaupt zu viel gejammert bei uns: Über zu viel Fleisch, über zu wenig Fleisch, über zu viele geflüchtete Menschen und zu wenig Grenzkontrollen, zu viel Angela und zu viel Alternativen. Ein Volk der Jammerlappen. Ich mag es nicht mehr hören! 

Stattdessen Ruhe, die Kraft der Septembersonne auf der Haut spüren. Hier an dieser Stelle, ein wenig abseits der Welt, ebbt der Lärm endlich ab. Es bleibt ein leises Murmeln des nicht enden wollenden Verkehrs aus der Ferne. Erst die Gesellschaft hundert Meter hinter mir, vor der kleinen Kapelle, erinnert mich daran, dass ich auch hier nicht alleine bin: Lachen, Kreischen, das Knallen von Sektkorken, das Schreien eines Babys. Da wurde soeben geheiratet.      

Mein Hund wälzt sich in den Moment verliebt, minutenlang glücklich im Gras. Sein Treiben kennt keinen Anfang und kein Ende. Sein Leben ist ein lang anhaltender Augenblick.

Endlich  steht er auf, trottet auf mich zu und leckt mir durch das Gesicht. „Du und ich, wir zwei“, scheint er mir sagen zu wollen, „wir sollten das öfter machen: Einfach los, ohne viel Gepäck.  Was brauchen wir schon?“ – Wie recht er hat, der weise Kerl. Und während ich ihn streichele und er seinen Kopf auf meinen Bauch legt, wird mir besonders bewußt, dass etwas zu Ende geht und etwas Neues anfängt. Der ewige Kreis. 

Nur du mein alter Freund: du bleibst. Wie die Erinnerung.  

Die Sachen sind (fast) gepackt, Verträge gemacht. Das Neue: Es kann kommen. Ich freue mich drauf. 

RAUSCH AB 

Nimm deine Beine in die Hand,
gib dir n Ruck,
mach die Biege,
wechsel einfach die Tapeten – 
du musst ja nicht bleiben.
So viel hat sich verändert,
das Meiste nicht zum Besten,
nur noch  Bräune 
statt buntem Treiben – 
Rausch ab!
Mmhmm.
Rausch ab!
Mmhmm.
Rausch ab.
Mhm.
Rausch ab.
Mhm.
Rausch ab.

 

(© Stoppok)

Der Ort: Michaelsberg am Rande des Kraichgau.

15 Kommentare

  1. Das Kraichgau, ist das Dein Ziel oder ist es Urlaub oder Familie? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass das von hier nicht weit ist und es schön ist, Dich (momentan) dort zu wissen. Das macht die Sonne noch ein bisschen wärmer und das knisternde Gras ein bisschen lebendiger. Sozusagen.

    Ich bin gespannt, wohin Dein Weg Dich führt.

    • AlleAugenblicke

      Kraichgau ist mein Ziel, lieber Stefan. In nicht allzu weiter Ferne versuche ich dort mein (neues) Glück. Und ich weiß, dass es von dort bis zu dir nicht allzu weit ist 🙂
      Lg,
      Werner

  2. Deine Worte und Bilder sind immer etwas Besonderes.
    Ich wünsche Dir alles Gute für den neuen Lebensabschnitt.
    LG kiki

    • AlleAugenblicke

      Danke Kiki… Deine Worte rühren mich.
      Lg,
      Werner

  3. ich weiß so sehr was du meinst, vor allem was das genug haben betrifft. so schöne bilder <3

    • AlleAugenblicke

      Ja, Paleica. Aus deinen Beiträgen kann man das auch oft lesen.
      Lg,
      Werner

      • es freut mich sehr, wenn das identifizierbar ist…

  4. HF

    Ist der Hund denn mit dem Umzug einverstanden? 😉

    • AlleAugenblicke

      Lieber Hans,
      mein Hund weilt bereits dort und er fühlt sich „pudelwohl“.

      PS: Ich kann auf deiner neugestalteten Seite leider keine Kommentare mehr abgeben. Sie hängt sich jedesmal auf und reagiert nicht mehr. Gleiches gilt, wenn man dich über die Kontaktseite per Mail erreichen möchte. VIelleicht ist es ja gewollt – Scherz – wenn nicht schau bitte mal nach. Wäre ja schade drum.
      Lg,
      Werner

      • HF

        Hallo Werner,

        danke für Deinen Hinweis zur Kommentar-/Contactfunktion – ich habe das mal getestet, sowohl vom Smart phone als auch vom Desktop und es hat beide Male reibungslos funktioniert. Jetzt bin ich etwas ratlos – ist ja immer schwierig, wenn man einen Fehler nicht reproduzieren kann.

        LG, Hans

        • AlleAugenblicke

          Ich habe es gerade noch einmal versucht.. Ich kann drei, vier Worte schreiben, dann „hängt“ sich die Seite auf und es ist keine weitere Eingabe möglich.
          Vielleicht können wir uns per Mail darüber austauschen – sofern du es magst. werner.pechmann@alleaufgenblicke.de
          Lg,
          Werner

  5. Deine „Heimat ist ein Gefühl“-Serie ist so gedankenvoll und reich an Momenten fern des alltäglichen Lärmes. Für den neuen Lebensmittelpunkt wünsche ich dir beste Ein- und Aussichten sowie weitere dieser besonderen Gedankensplitter und schönen memorablen Augenblicken. Auf einen lichten möglichst güldenen Herbst.
    Liebe Grüße,
    Stefan

    • AlleAugenblicke

      VIelen Dank, lieber Stefan. Deine Worte zu dieser Serie bedeuten mir viel.
      Lg und ein schönes Wochenende!
      Werner

  6. Wunderschön geschrieben und bebildert, Zeilen voller Optmismus und Melancholie. So fühlt sich das wohl für dich an. Ich wünsche dir und Emil alles Gute für den Neubeginn.

    LG; Conny

    • AlleAugenblicke

      Ja, so fühlt es sich gerade an… Danke, liebe Conny,

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