Zum Inhalt springen

Wo bleibt das Individuum?

Ich mag es, wenn ich mich an einem Ort auf eine Szenerie, eine Stimmung oder eine Umgebung einlassen kann und erst dann, wenn ich ein Gefühl für alles entwickelt habe und sich Bilder in meinem Kopf bilden, die Kamera hervorhole. Erst dann bin ich in der Lage, das was ich sehe auch emotional in ein Foto einzubringen.

Dabei mache ich niemals viele Aufnahmen (eine Angewohnheit, die ich aus analogen Zeiten beibehalten habe: Filme und Entwicklung kosteten Geld, was ich nie hatte 🙂 : Ich beschränke mich, wähle sorgfältig aus, lege meist Bildaufbau und –schnitt im Kopf fest, und erst dann betätige ich den Auslöser. – Das geht nicht immer und überhaupt nur, wenn ich in die jeweilige Situation „abtauchen“ konnte.

Diese Woche  holte ich jemandem vom Zug ab. Hauptbahnhof Hannover. Abends  einundzwanzig Uhr. Menschen als Teil einer riesigen Maschinerie. Streng getaktet in Ankunft und Abfahrt. Teil einer abstrakten Bahnhofarchitektur, in der sich der Einzelne verliert. Was bedeutet schon ein Individuum?

18 Kommentare

  1. Hallo Werner,

    das mit dem Abtauchen kenne ich gut. Es ist auch der Grund, warum ich am liebsten allein fotografiere. Abtauchen geht nur allein. Das Individuum inmitten des Drumherums. Ich mache auch nicht so viele Aufnahmen. Meist die eine und dann probiere ich noch eine weitere Komposition und stelle oft fest, dass die erste die bessere ist :-).

    Deine Bilder gefallen mir ausgesprochen gut. Ich finde den Unterschied zwischen deinen und meinen Kompositionen immer wieder erstaunlich, wobei sie auf der Hand liegen: du magst es, wenn irgendwo Menschen zu sehen sind, ich warte meist, bis sie weg sind und empfinde sie als störende Elemente. Komisch oder? Mein Blick blendet Menschen meist aus und sehe die Spiegelungen, Linien, Kontraste usw., die ich auch hier in deinen beiden Bildern sehr reizvoll finde.

    Liebe Grüße

    Conny

    • AlleAugenblicke

      Hi Conny,
      wir sind uns sehr ähnlich… und dann doch wieder nicht. Was uns eint, ist unser melancholischer Blick auf die Welt. – Ich mag es wirklich, Menschen abzubilden, sie in ihrer (oft trostlosen) Umgebung abzubilden und zu zeigen, dass wir alle ein Bestandteil des „Großen Ganzen“ sind. Deine Bilder zeigen dann (oft) genau diese Leere (und machen das ganz hervorragend).
      Lg,
      Werner

  2. Dein Text berührt mich, Werner und die Bilder sind treffend! Liebe Grüsse, Paul

    • AlleAugenblicke

      Lieber Paul,
      vielen Dank für deine warmen Worte!
      Lg,
      Werner

  3. Ich vermute mal: je besser man sich in eine ‚Szene‘ einfühlt, um so besser kann man sie fotografieren, weil wahrscheinlich das, was man darüber denkt, die Auswahl, den Blickwinkel bestimmt. Deine Fotos sind grand-ios, große Architektur und kleiner Mensch, der sich darin verliert. Über das Gespiegelte könnte man jetzt auch noch küchen-philosophieren 😉
    Herzliche Grüße aus Köln.

    • AlleAugenblicke

      Vielen Dank,Franka. Ich bin fest davon überzeugt, dass es für gute Fotos auch immer das Gefühl für die Situation braucht.
      Lg,
      Werner

  4. Erst die Situation wirken zu lassen und dann das Foto „vorzukomponieren“. Das kenne ich. Letztendlich ist ja eben die Suggestion, die die Szene auf den Fotografen ausübt, dass was er wirklich fotografieren möchte. Und das braucht Zeit, die nur der fotograf gestalten kann.

    Spannend natürlich dann, wenn Leute mit im Spiel sind. Dann muss man ja manchmal die Gelegenheit beim Schopf packen. Noch interessanter, dass diese oft nicht durchdachten Aufnahmen auch spontaner wirken. Spontan heißt aber nicht zwingend tief.

    Deshalb meine Anerkennung, dass du besonders im ersten es schaffst, beides zu verbinden.
    Und kleiner Hoffnungsschimmer: Ich sehe in dem Bild das Individuum! 😉

    • AlleAugenblicke

      Wenn ich mir deine Arbeiten so anschaue, so denke ich, dass du ähnlich arbeitest…
      Lg,
      Werner

  5. HF

    Die klaren, sehr technischen, ja fast ‚aseptischen‘ Szenen in den Photos, geben das Thema sehr passend wieder. Dort stört der Mensch im Grunde nur.
    LG, HF

    • AlleAugenblicke

      Ziemlich asepetisch, stimmt. – Und gerade weil der Mensch dort zu stören scheint, macht er auf diesen Bildern Sinn.
      Lg,
      Werner

  6. Hallo Werner,
    das mit dem Abtauchen kenne ich, geht mir beim Fotografieren genauso – allerdings neige ich immer noch dazu „zur Sicherheit“ mehr Fotos als nötig zu machen …ich hoffe, dass es im Laufe der Zeit weniger wird, ich arbeite jedenfalls daran 😉
    Die Fotos sind wie immer klasse, vor allem das obere mag ich sehr gerne.
    LG, Netty

    • AlleAugenblicke

      Hallo Netty,
      ich habe schon immer gedacht: Klasse, statt Masse. – Meine Überzeugung beim Fotografieren ist, dass es Reduktion (an sich selbst) braucht, um einen Anspruch zu verwirklichen. – Versuche es einfach mal: Weniger ist oft mehr.
      Danke für deine lieben Worte
      Werner

  7. Da ist sie wieder, unsere Seelenverwandtschaft. Bin auch der Minimalist und fotografiere nur das nötigste, halt so wie wir es in der analogen Zeit gelernt haben. Was will man auch mit den ganzen Fotos, eins reicht! Das Fotos gefallen mir super gut, alles prächtig und klasse die Linien eingesetzt.

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Gerd

    • AlleAugenblicke

      Ja, irgendwie ist das typisch… Für ein bestimmtes Alter und einen bestimmten Typus Mensch 🙂 -Danke für deinen lieben Worte.
      DIr auch ein schönes Wochenende!

      Lg,
      Werner

  8. Hallo Werner,
    man merkt bei Dir immer wie viel Erfahrung Du in Deine Fotografie einbringst und wie sehr Du „bewusst“ fotografierst. Das ist eine reale Stärke in unserer flüchtigen Zeitepoche. In Deinem Fall bedeutet ein Individuum ein ganze Menge. So viel Lob muss sein :-).
    LG, Gilles

    • AlleAugenblicke

      Hallo Gilles,
      vielen, vielen Dank für deine lieben Worte. Wenn man meinen Fotos ansieht, dass in ihnen Erfahrung steckt, dann ist das eine wirkliche Anerkennung… 🙂
      Lg,
      Werner

  9. diese fragen beschäftigen mich auch immer. allerdings auch im zusammenhang damit, wieviele individuen unerkannt an einem vorbeilaufen. oft frage ich mich, wieviele menschen ich schon getroffen habe, bevor sie in meinem leben eine bedeutung bekamen. virtuelle biografien, auch ein ganz spannendes thema.

    deine bilder hierzu mag ich sehr, tolle schnitte, klare linien, wunderbar.

    ich bin da anders, als ein kind der digitalen fotografie probiere ich aus, schaue, justiere nach. ich sehe nur durch den sucher und sortiere dann am PC. manchmal könnte ich es gerne, das motiv „vorher“ sehen.

    • AlleAugenblicke

      Die so unterschiedlichen Sicht- und Arbeitsweisen sind immer wieder interessant. Und das sie so unterschiedlich sind, ist auch gut so: wir sind ja alle unterschiedlich.
      Lg,
      Werner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner