{"id":1643,"date":"2015-09-19T19:02:51","date_gmt":"2015-09-19T17:02:51","guid":{"rendered":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/?p=1643"},"modified":"2017-06-14T17:46:03","modified_gmt":"2017-06-14T15:46:03","slug":"ein-buch-wie-ein-guter-blues","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/ein-buch-wie-ein-guter-blues\/","title":{"rendered":"Ein Buch wie ein guter Blues"},"content":{"rendered":"

Bei der Verwendung von Superlativen…<\/h2>\n

… sollte man vorsichtig sein. In ihnen schwingt so etwas Endg\u00fcltiges mit. Daher pflege ich einen sorgsamen Umgang mit ihnen. Doch hier und jetzt bin ich ganz nahe dran.<\/h4>\n

Als Vinyls noch Schallplatten waren und wir von „LPs“ sprachen, kamen  Alben auf den Markt, von den wu\u00dfte man schnell, dass es sie etwas Besonderes waren: Musik und Texte waren -im Kontext der Zeit – speziell, sie waren besonders produziert, sie enthielten jede Menge Hits, sie orientierten sich nicht am Mainstream. Oft auch alles zusammen. Dann sprach man von einem „Jahrhundertalbum“ und meinte damit ein Album, was die Zeit \u00fcberdauert. Seine Bedeutung reichte \u00fcber den kurzfristigen Geschmack und Zeitgeist hinaus. „Rumours“ von Fleetwood Mac, „Sgt. Pepper`s..“ von den Beatles, „Highway 61 revisited“ von Bob Dylan oder „exile on main street“ von den Stones sind Beispiele hierf\u00fcr.<\/h4>\n

Nun halte ich einen Fotoband \u00fcber New York in meinen H\u00e4nden, bei dem sp\u00fcre ich \u00c4hnliches:Hier reicht etwas \u00fcber den Zeitgeist hinaus. Steffen „Stilpirat“ B\u00f6ttcher <\/a>hat „sein“ New York in Fotografien portraitiert: Pers\u00f6nlich, eigenwillig, echt, puristisch, keiner Mode folgend.<\/h4>\n

In sein Logbuch New York taucht man ab und begibt sich auf eine Reise in das New York, was Steffen 1990 bei seinem ersten Aufenthalt dort gesehen hat. Das Buch erz\u00e4hlt diese Geschichte, doch seine Fotos erz\u00e4hlen viel mehr Geschichten: In ihnen spiegelt sich das Bild der irischen und italienischen Einwanderer im 19ten Jahrhundert. Sie erz\u00e4hlen von der aufstrebenden Metropole in der ersten H\u00e4lfte des 20ten Jahrhunderts, berichten von Not und Elend in den Slums der Stadt in den Siebziger Jahren. Ein Buch wie ein \u00fcberlanger Roadmovie: Steffens Fotos schaffen die Atmosph\u00e4re der mafi\u00f6sen Spiele von  Al Pacino, Robert de Niro und Marlon Brando. Und auch Woody Allens New York begleitet den Betrachter durch das Buch. Man sp\u00fcrt beim Betrachten der Bilder die vielen Kilometer, die Steffen in New York zur\u00fcck gelegt hat. Und man sieht den Bildern nicht einen Augenblick an, wie viel Zeit es brauchte, auf den den richtigen Moment zu warten.<\/h4>\n

Steffen B\u00f6ttcher hatte dabei den Mut, sich von der Malerei inspirieren zu lassen. Man erkennt unschwer den Einfluss von William Turner<\/a>: dunkel, grau, hier und da d\u00fcster, immer aber dem Licht auf der Spur. Die Lichtf\u00fchrung der in seinen in Szene gesetzten Menschen, erinnern an die holl\u00e4ndischen Maler Rubens und Rembrandt. In seinen Fotos schwingt dar\u00fcber hinaus der Geist Saul Leiters<\/a>.: Lichtreflexionen, Spiegelungen, Farbenspiele. Dezent und auf den Punkt gebracht. Alles zusammen zaubert eine ganz eigene \u00c4sthetik. – Die bleibt.<\/h4>\n

Man nehme diesen Bildband, setze sich gem\u00fctlich in einen Sessel, richte eine Lampe auf das Buch, \u00f6ffne eine Flasche Wein (der besseren Sorte). Das Buch ist wie ein guter Blues. Wie sagte einmal ein Musiker? “ Niemand kann den Blues so spielen, wie er wirklich ist“ – Das ist wohl war. Das „Logbuch New York“ kommt aber ziemlich nahe ran.<\/h4>\n