{"id":2306,"date":"2016-08-04T20:57:46","date_gmt":"2016-08-04T18:57:46","guid":{"rendered":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/?p=2306"},"modified":"2020-07-14T12:55:16","modified_gmt":"2020-07-14T10:55:16","slug":"die-erinnerung-ist-wie-ein-hund-der-sich-hinlegt-wo-er-will","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/die-erinnerung-ist-wie-ein-hund-der-sich-hinlegt-wo-er-will\/","title":{"rendered":"Die Erinnerung ist wie ein Hund, der sich hinlegt, wo er will"},"content":{"rendered":"
\"Die<\/a>
Die Erinnerung ist wie ein Hund, der sich hinlegt, wo er will (Cees Noteboom)<\/figcaption><\/figure>\n

Ich sehe mich heute noch oft an meinem Schreibtisch sitzen. Ich muss so 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein. Also schon lange her. Ende der Siebziger. In der Zeit von Schlaghosen und Batikhemden .<\/h4>\n

Der Schreibtisch stand in meinem kleinen Zimmer unter dem Dach direkt am Fenster. Mein Elternhaus lag au\u00dferhalb der Stadt, geschmiegt an einen alten Weinberg, auf dem schon lange kein Wein mehr angebaut wurde: Alte Obstb\u00e4ume und dichtes Buschwerk vermittelten dem Betrachter einen kleinen Eindruck von Wildnis. In den Resten der Steinterassen fanden sich an hei\u00dfen Sommertagen Nester von Blindschleichen, Kreuzottern und Erdkr\u00f6ten.<\/h4>\n

Hob sich mein Blick vom Schreibtisch (was er oft tat), fiel er auf einen bewaldeten Hang. Genau dort konnte ich mich in Tagtr\u00e4umen und komplexen  Gedankenspielen verlieren. Und mein Blick hob sich oft. Der Schreibtisch war mein<\/strong> Ort. Hier wurde ich zum Schriftsteller und Komponist, dort entstanden Gedichte, Geschichten und Liedtexte noch zu komponierender Welthits. Hier tr\u00e4umte ich mich in andere Welten, lag im Clinch mit den Hausaufgaben und meine Eltern. Dort am Schreibtisch suhlte ich mich in diesen Konflikten und sehnte mich nach der einen gro\u00dfen erl\u00f6sendenLiebe.<\/h4>\n

Das  Radio befand sich dabei im Dauer „on“. Ungest\u00f6rt von Fernsehen (da lief nachmittags gar nichts, und abends gab es bei maximal drei Programmen Langeweile) und anderen st\u00f6renden Elementen. Handy und Internet waren Zukunft (Nicht einmal die Worte waren erfunden).<\/h4>\n
\"Erinnerung<\/a>
Die Erinnerung macht sich breit<\/figcaption><\/figure>\n

Aus dem Radio lernte ich Jackson Browne, Neil Young, und all die anderen kennen, die mich -das wusste ich damals aber noch nicht – mein Leben lang begleiten sollten. Zu „Cowgirl in the sand“ spielte ich meine wenigen Akkorde auf der Gitarre und in stillen Momenten beneidete ich meinen gro\u00dfen, sieben Jahre \u00e4lteren Bruder, der  machen durfte,was er wollte: Er war f\u00fcr mich das, was ich endlich werden wollte: Erwachsen! In diesen Momente setzte ich mich ans offene Fenster und rauchte eine von den Zigaretten, die ich meinem Vater geklaut hatte. Das katapultierte mich f\u00fcr die Dauer des Glimmstengels in die Welt der Erwachsenen.<\/h4>\n

\"\"<\/a><\/h4>\n

In den Tiefen einer der Schubladen meines Schreibtisches sammelte und verbarg ich meine handschriftlichen Sch\u00e4tze , von denen ich damals sicher war, dass ich sie irgendwann – dann wenn ich erwachsen sein w\u00fcrde –  ver\u00f6ffentlichte und damit zu Ruhm und Ehre k\u00e4me.<\/h4>\n

Ich wurde \u00e4lter. Schule, Ausbildung , Liebe – ja, das Leben nahm  mit erstaunlicher Dynamik Fahrt auf und es trug mich fort von diesem wunderbaren Platz am Schreibtisch. Die Menge an bekritzeltem Papier lie\u00df ich hinter mir und war \u00fcber Jahre auch kein Thema mehr.<\/h4>\n

Bis irgendwann…. Jahre sp\u00e4ter…<\/h4>\n

…irgendwann der Hund kam und sich auf diesen verdammten und geliebten Schreibtisch legte und sich dort breit machte. – Zu sp\u00e4t, wie ich dann leidvoll und unter Tr\u00e4nen erfahren musste. Die Zeit hatte meine schriftstellerischen Versuche entsorgt.<\/h4>\n

Heute kommt er regelm\u00e4\u00dfig, dieser Hund und legt sich br\u00e4sig genau dahin, wo er es will. Und das ist gut so. Erinnerungen leben weiter. In uns und anderen, mit denen wir sie teilen. Jetzt und sp\u00e4ter.<\/h4>\n

\"\"<\/a>     .<\/h4>\n

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