{"id":3481,"date":"2018-02-27T14:20:19","date_gmt":"2018-02-27T13:20:19","guid":{"rendered":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/?p=3481"},"modified":"2018-02-27T14:20:19","modified_gmt":"2018-02-27T13:20:19","slug":"die-seele-der-dinge","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/die-seele-der-dinge\/","title":{"rendered":"Die Seele der Dinge"},"content":{"rendered":"

\"B\u00fcrste<\/a><\/p>\n

Die alte Haarb\u00fcrste, die kaum mehr taugt,  selbst meine d\u00fcnn gewordene Haarpracht zu z\u00e4hmen. Der in die Jahre gekommene Reisewecker, ebenso analog wie schmuddelig mit verkratztem Ziffernblatt auf dem kaum mehr was zu erkennen ist.  Die sch\u00e4bige, \u00fcber die Jahre farblos gewordene Ledermappe mit ihren abgegriffenen und ausgefransten Ecken. Der alte GEHA-F\u00fcller, auf dem man die Menge langweiliger Unterrichtsstunden in meiner Jugend anhand der Zahnabdr\u00fccke im Griff ablesen kann. <\/p>\n

Andere schmei\u00dfen so etwas weg. Ich nicht. Jedenfalls nicht immer. Bei mir zu Hause f\u00fcllen sie Ecken. Allein ihr Anblick freut mich. Hin und wieder verweile ich f\u00fcr einen Augenblick vor der B\u00fcrste und \u00fcberlege, was diese B\u00fcrste alles schon so gesehen und erlebt haben mag. So genau wei\u00df ich das n\u00e4mlich auch nicht. Sie stammt noch von meinen Eltern und auch dort gab es sie solange ich denken kann. Sie ist sch\u00e4big: der urspr\u00fcnglich einmal dunkelrot lackierte Holzstiel (ja, ja: kein Kunststoff) ist zwischenzeitlich fast g\u00e4nzlich abgebl\u00e4ttert. Das Holz, vermutlich durch Wasser und Temperatur im Badezimmer, rau und unansehnlich. Und doch: Ich mag sie.  Ich bin geneigt zu sagen: Ich h\u00e4nge an ihr. Sie ist seit langem mein Begleiter. Sie geh\u00f6rt zu dir. <\/p>\n

So wie die anderen Dinge auch: Der Wecker, die Mappe, der F\u00fcller. Und vielleicht noch der eine oder andere Gegenstand, der sich in Schubk\u00e4sten und Schr\u00e4nken verstecken mag. Ihnen gemein ist, sie erf\u00fcllen keinen Zweck mehr. Sie sind einfach da. Nur so. Jahrelang haben sie ihren Dienst verrichtet: Geb\u00fcrstet, geweckt, gesammelt, geschrieben.  L\u00e4ngst sind sie nicht mehr zeitgem\u00e4\u00df und haben ihre beste Zeit hinter sich. Kunststoffe und Digitalisierung sind eingezogen und haben unsere Welt ma\u00dfgeblich und nachhaltig ver\u00e4ndert. <\/p>\n

Menschen, die mich zu Hause besuchen und sich im Badezimmer am Spiegel \u00fcber die alte vergammelte B\u00fcrste wundern, ist ihre Sorge um meinen Verstand an der Stirn abzulesen. Doch ich kann sie beruhigen. Mein Verstand arbeitet zweifelsfrei und ohne Ausf\u00e4lle. Vielleicht anders als andere. Aber reibungslos und ohne St\u00f6rungen.  F\u00fcr einen Teil meiner Besucher haben diese Dinge keinen Wert. Ihrer Auffassung nach wirft man Gegenst\u00e4nde weg, wenn sie offensichtlich unbrauchbar geworden sind. Ihnen empfehle ich ein Nachdenken \u00fcber Inhalt und Bedeutung ihrer Werte. Nur ein kurzes Innehalten, nur ein kurzes \u00dcberlegen.  F\u00fcr mich haben diese Dinge tats\u00e4chlich einen Wert. Kaum mehr einen monet\u00e4ren, das ist wohl wahr. Aber ist das so wichtig?<\/p>\n

Was ist uns wertvoll? <\/p>\n

Die Un\u00fcberlegtheit vieler Menschen l\u00e4\u00dft mich umgekehrt gelegentlich auch an ihrem Verstand zweifeln. <\/p>\n

Ich liebe meine B\u00fcrste. Mag sie noch so alt sein. <\/p>\n

Und wer jetzt noch mag, kann hier weiterlesen: <\/p>\n

Vergessen in Wuppertal<\/a> <\/p>\n

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Die alte Haarb\u00fcrste, die kaum mehr taugt,  selbst meine d\u00fcnn gewordene Haarpracht zu z\u00e4hmen. Der in die Jahre gekommene Reisewecker, ebenso analog wie schmuddelig mit verkratztem…<\/p>\n