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Am Anfang war das Wort

Was ich zu sagen habe – Ein Projekt gegen Lautstärke und Hass #1

Der nachfolgende Text ist von Y. – Sie erzählt von ihren Gedanken vom Umgang mit Sprache in unserer Gesellschaft und was dieser Umgang mit uns und der Gesellschaft macht. Ein Text zum Nachdenken. Ein Text gegen Hass. Ein Text für ein gutes Miteinander. Vielen Dank! (Die Fotos zu diesem Beitrag sind in ihrem Garten entstanden). Weitere Infos zu diesem Projekt gibt es hier

AM ANFANG WAR DAS WORT UND DAS WORT WAR GUT-

wahrhaftig, eindeutig, transzendent.

Dann kamen wir Menschen und mit uns Egozentrik, Manipulation, Belanglosigkeit und all die vielen großen und kleinen Missverständnisse und Bosheiten. Die Geschichte und die Nachrichten sind voll davon.

Über Sprache und deren Macht haben sich Denker schon immer den Kopf zerbrochen und ihre Erkenntnisse in erhellende Sätze gepackt. Ganze Religionen wurden darauf begründet ( s.o.)

Wie kann ich , die ich weder weise noch erleuchtet bin, mich verständlich machen?

Zitate, wie das von Werner vorangestellte aus dem Talmud, helfen mir, einen Zugang zu diesem komplexen, alle gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Belange durchdringenden Thema zu finden.

„Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten“ (Zarathustra),

„Unsere Gedanken erschaffen die Wirklichkeit“ (Buddha),

„Ein Wort ist wie ein Pfeil, der, einmal von der Sehne geschnellt, nicht mehr zurückgehalten werden kann“      (aus Arabien)

Sprache ist keine leere Hülle, sie transportiert neben dem eigentlich zu vermittelnden Inhalt auch immer Gefühle, Werte und bringt so unser Innenleben nach außen. Sprache prägt unsere Art zu denken und damit auch unser Verhalten. 

Mir drängen sich viele Fragen auf.

Warum sind unserer Sprache, und damit unserem Denken und Verhalten,  nicht nur Genitiv und Konjunktiv abhanden gekommen, sondern leider auch Anstand und Verständnis?

Was passiert, wenn Gemeinschaften, die sich auch immer über eine gemeinsame Sprache definieren, der unausgesprochene moralische Konsens abhanden kommt? 

Die sprachliche Sintflut, die uns umgibt, ist sicher eine der Auswirkungen. Aber was macht das mit uns?

Neigen wir Menschen gar im Privaten schon immer dazu verbal zu entgleisen und wird dieses wenig rühmliche Verhalten durch die modernen, technischen Möglichkeiten lediglich ins Rampenlicht gezerrt?

Unsere Gesellschaft leidet an einem Mangel an Dialog und, wo es nötig ist, auch an einem Mangel an Disput mit einem realen Gegenüber. Statt dessen führen wir endlose Monologe in den virtuellen Welten der Social Media.
Das ist zwar demokratisch, denn jeder kann seine Meinung kundtun, aber leider oft  auch kopf- und herzlos.
Täglich nachlesbar in der angesagten Shitstorm-Praxis, die sich über alles und jeden ergießt und nichts als Dreck hinterlässt.

Kommunikation ist per se immer fehlerbehaftet, denn Wahrnehmung kann niemals objektiv sein. Der Empfänger interpretiert das Gesprochene unablässig aufgrund seiner ganz eigenen Gefühls- und Gedankenwelt und Lebenserfahrung.

Das war schon immer so und wird wohl so bleiben, bis wir Menschen lernen, reflektierter, im besten Fall bewusster zu denken, zu sprechen, zu leben.

Heute haben alle die gleiche Chance, gehört zu werden. Das ist anstrengend und erfordert viel Toleranz, ist aber eigentlich urdemokratisch, wenn da nicht ein weiteres Phänomen unserer Zeit wäre:

der massenhaft gelebte Narzissmus.
Unser Gesellschaftssystem, explizit der in den letzten Jahren um sich greifende Neokapitalismus, stellt das Individuum oder besser gesagt, dessen kommerzielle Bedürfnisse, in den Mittelpunkt allen Geschehens.

Wir sollen immer mehr konsumieren, damit noch mehr produziert werden kann. Die Gewinne werden maximiert, aber leider eben auch der daraus resultierende Verbrauch an Ressourcen.

Was passiert wenn „ME FIRST“ das „ZUM WOHLE ALLER“ ablöst, können wir gerade in allen gesellschaftlichen, ökologischen, politischen  und wirtschaftlichen Belangen miterleben.

Wo früher die eigene Freiheit  an der Freiheit des anderen endete ( frei nach Kant), werden heute Grenzen überschritten, leider nicht nur die des guten Geschmacks.
Schuld haben immer die anderen.

Mich macht das wütend und oft steigt Angst in mir auf. Wohin soll das alles noch führen?

Letztenendes ist unsere derzeitige wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation das Resultat einer jahrhundertelangen Ausbeutung der Armen und Schwachen.
Deutschland ist ein reiches Land mit sozialer Absicherung, Gleichberechtigung, einer „menschenwürdigen“ Verfassung, einer die jedem einzelnen die größtmögliche Freiheit zusichert.
Wir besitzen eine Unmenge an Dingen, die wir nicht brauchen und wollen trotzdem immer mehr. Fühlen uns betrogen und ungerecht behandelt, wenn Menschen zu uns kommen, auf deren Leid unser Wohlstand beruht.

Wer viel hat, hat viel zu verlieren.

Der Mensch, in Gestalt der westlich-neokapitalistisch geprägten Gesellschaften,  als Krone der Schöpfung macht sich die Erde untertan. In diesem Größenwahn zerstören wir rücksichtslos unsere Lebensgrundlage.

So neigt sich das Anthropozän dem Ende zu-

weil wir nicht aus den Erfahrungen und aus unserer Geschichte lernen,

weil wir Konsum über Menschlichkeit stellen,

weil wir kleingeistig, habgierig und maßlos sind.

Weil uns das Haben wichtiger ist als das  Sein. ( Vom Haben zum Sein- Erich Fried)

In unserer vermeintlichen Überlegenheit sind wir gerade dabei, die letzte Runde der Menschheitsgeschichte einzuläuten. Unser Zauberbesen, die künstliche Intelligenz, wird uns zuletzt selbst auskehren.
Als mir das zum ersten Mal bewusst wurde, brach Endzeitstimmung und Panik in mir aus.
Aber dann kam mir ein sehr tröstlicher Gedanke.

Wer sagt denn, dass Maschinen nicht die besseren Menschen sind?

Zumindest bietet die binäre Kommunikation mit Nullen und Einsen keinen Raum für Missverständnisse.
Nachdem wir Menschen uns neben den Dinosauriern in die geologische Ahnenreihe der Obskuritäten eingereiht haben werden,  gelingt Maschinen vielleicht, was wir gründlich verbockt haben.
Was haben wir in den letzten 3 Millionen Jahren alles bekriegt, erobert, erfunden, gebaut. Und doch sind wir trotz des gesamten wissenschaftlichen und technischen Fortschritts dem Wunder des Lebens, der Essenz des Seins, nicht wirklich näher gekommen.

Kann es nicht sein, dass uns alle mehr verbindet als trennt?

Zumindest die Wissenschaft beweist derzeit, dass „glauben“ vielleicht doch auch „wissen“ bedeutet.

Neuere naturwissenschaftliche Erkenntnisse werfen Fragen auf, die Religionen bereits seit Jahrtausenden zu erklären versuchen. Hier sind wir schon mitten in der Theosophie- einem Ansatz der Erkenntnisse aus Wissenschaft, Philosophie und Religion miteinander verbindet
Ich weiß, dass ich nichts weiß ( Descartes)- wissen die Schlauen von uns und lauschen zusammen mit Physikern auf das geheimnisvolle Rauschen aus den tiefen des Kosmos, das uns Rätsel aufgibt.

Was ist das?

Was durchdringt alles, hält alles zusammen, verbindet die kleinsten messbaren Teilchen miteinander, ist ohne Anfang und Ende?
Wir Menschen haben schon viele Namen und Erklärungen dafür gefunden: Himmelsscheibe von Nebra, Gott,  Geist, Energie, die Aufzählung lässt sich endlos fortführen.

Religionen suchen nach Erklärungen, dabei werten und trennen sie leider allzu oft. Der Dalai Lama- als religiöses Oberhaupt-  setzt sich deshalb für eine Welt ohne Religionen ein.

Die Welt braucht keine Religionen, sagt er,  sondern eine Ethik, die alle Menschen einschließt und uns allen angeborenen ist.

Hier komme ich wieder auf meine Frage zurück:  Ist es nicht doch so, dass uns mehr eint, als uns trennt?

Was also, wenn es keine Dualität gibt, kein Richtig oder Falsch, Gut oder Böse, ich oder die anderen?
Einheit bedeutet nicht, dass es keine Differenzen gibt, sondern, dass alle in einen gemeinsamen Weg integriert werden.

Was also, wenn zuletzt nicht der Stärkere über den Schwachen siegt?

Denn was  bringt es dem Hecht der erfolgreichste Jäger im Teich zu sein, wenn er aus unersättlicher Gier alle Karpfen gefressen hat?
Das Grundprinzip der Evolution besteht nicht darin, den Gegner auszuschalten, sondern in der Kooperation.
Langfristig erfolgreich und überlebensfähig ist das Biotop, also  ein Ort, an dem unterschiedlichste Lebewesen zusammenleben und ihre Umwelt nachhaltig positiv beeinflussen- quasi leben und leben lassen.

Vielfalt und Anders-sein  ist also Chance und Gewinn.

Zum Glück formiert sich langsam eine Gegenbewegung zum bisher vorherrschenden Ultrakapitalismus

Menschen beginnen die Mechanismen des Konsums und ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Glauben nicht mehr länger daran, dass unser aller Wohlergehen nur vom Wirtschaftswachstum abhängt.

Fridays for future, tiny house, work-live-balance- sind zwar stylische Begriffe, mit denen man und frau sich heutzutage gerne schmückt, aber ich glaube es steckt mehr als heiße Luft dahinter.
Die individuellen Ansatzpunkte sind so vielfältig und bunt wie die Menschen dahinter, die sich fragen:
Müssen wir wirklich immer mehr produzieren um glücklich zu sein oder reicht es nicht auch aus,  zu prüfen was wirklich wichtig ist im Leben und das eigene Handeln danach auszurichten?

Auch in sprachlicher Hinsicht, gibt Ansatzmöglichkeiten dem „Zuviel“ an geschmack- und hirnlosen Bemerkungen zu begegnen, quasi ein Ohrstöpsel gegen allzu lautes Gezwitschere.
Michele Obama fordert zu recht: “ when they go low, we go high.“

Jeder kann immer nur seine eigenen Gedanken, Worte und Taten ändern.
Unsere Vorstellungen von der Welt, sind Reflexionen unserer eigenen Wahrnehmung ( Max Planck).
Wenn wir also so handeln, als hätten sich unsere Gedanken schon manifestiert lenken wir unsere
Wahrnehmung und halten an unseren Zielen fest.
Anders gesagt: Worauf wir unser Bewusstsein richten, manifestiert sich.

Was wir heute denken und sagen, wird morgen Realität sein!

Was hindert uns also daran, uns die Welt als einen friedlichen Ort, ein Paradies für alle vorzustellen?

„Stell dir vor, es gibt kein Himmelreich,
Es ist ganz einfach, wenn du es versuchst.
Keine Hölle unter uns, über uns nur der Himmel.

Stell dir vor, alle Menschen
leben nur für das „Heute“.

Stell dir vor, es gäbe keine Länder,
versuch es, es ist gar nicht so schwer.
Es gibt nichts, wofür es sich zu töten oder sterben lohnt,
und auch keine Religion.

Stell dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden.

Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr.
Ich frage mich, ob du das kannst.
Keinen Grund für Gier oder Hunger,
Eine Menschheit in Brüderlichkeit.

Stell dir vor, alle Menschen,
teilen sich die Welt.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber, ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst  auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird wie eins sein.“

(Imagine John Lennon)


 Stell dir vor…. AM ENDE IST – LIEBE

3 Kommentare

  1. Stefanie Schulte-Rolfes

    Ein sehr schöner , fast schon visionärer Text. Allerdings Mus ich diesem Satz von dir widersprechen: „Menschen beginnen die Mechanismen des Konsums und ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Glauben nicht mehr länger daran, dass unser aller Wohlergehen nur vom Wirtschaftswachstum abhängt.“ Das klingt hoffnungsvoll, aber meiner Meinung nach ist genau das Gegenteil gerade der Fall. „Menschen“ identifizieren sich mehr denn je mit ihren Statussymbolen und wenn man in den Supermärkten mal schaut was und wie viel in den Einkaufswagen liegt und wenn man die Klagen der Paketdienste der Post hört und wenn man die Gesprächs-Themen verfolgt in denen es um Urlaub und um Essen und um die neuesten Manufaktummöbel geht und dann noch der Spruch kommt : Wir brauchen nichts, wir sind genügsam mit unserem (teuren) Minimalismus, dann zweifle ich mehr denn je, dass Menschen ihr Wohlergehen von irgend etwas anderem abhängig machen als vom Geld. Im Großen und im Kleinen. Dass es Menschen, vor allem tolle junge Leute, gibt, die nach neuen Wegen suchen sich aus dem kapitalistischen System auszuklinken, mag stimmen, aber es sind wenige. Meist macht man aus der Not doch eine Tugend! Perspektivlosigkeit und immer höhere Lebenshaltungskosten bei gleichbleibenden Verdiensten ist immer noch bei vielen Menschen der Alltag. Kaum Geld für Urlaub, wenig Motivation sich weiterzubilden und schlechte Aussichten auf bezahlbaren Wohnraum……..Aber das hast du ja auch ausgedrückt, dass der Neokapitalismus uns irgendwann um die Ohren fliegt. Dein Satz: Was wir heute denken wird morgen Realität werden, ist ein lustiges Hirngespinst ?

    • AlleAugenblicke

      Nur ein „redaktioneller“ Hinweis: Es ist in diesem Fall nicht mein Text. – Es ist der Text einer Teilnehmerin an meinem Projekt „was ich zu sagen habe“ gegen die Gewalt und die Lautstärke von Worten im Netz.
      Ich denke, sie wird sich über deine Anmerkungen freuen.
      Liebe Grüße,
      Werner

      • Stefanie Schulte-Rolfes

        weiß ich doch ? übrigens sind die Fotos total klasse…..Lebensfreude pur!

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