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Aus eigener Herstellung

...bloggen ist mittlerweile das Arschgeweih im Portfolio der eigenen Karriere…

Stilpirat

Das Zitat ist nicht neu. – Im Gegenteil: Im digitalen Zeitalter schon beinahe steinalt. Doch das Netz vergisst ja nix.

Mir geht dieser Satz und der damalige Beitrag öfter durch den Kopf, wenn ich so durch die Blogwelt surfe und tatsächliche Inhalte suche und oft nur auf #Werbung, #Marken #Hashtags und #Konsum stoße. Meist trifft man diese vier gemeinsam an. Nur noch selten dagegen trifft man: #Inhalte.

Einen Blog zu haben riecht irgendwie angestaubt und elend….

schreibt Steffen weiter….

Stimmt! … geht es mir durch den Kopf. Dabei fällt mir manch ein Dorf, ein Straßenzug oder ein Haus ein, was mir auf den Reisen durch diese Republik begegnet ist. So „irgendwie Siebziger“ möchte man da etwas angeekelt feststellen …. wenn es in den Metropolen nicht schon wieder in wäre…. Also, den Satz schnell wieder runtergeschluckt

Blogs sind also mindestens altmodisch. Allerdings befinden sie sich da in guter Gesellschaft der vielen alten Moden, die doch wieder zeitgemäß sind. Viele der Blogs, die mich im Laufe der Jahre begleitet haben, sind mittlerweile stumm. Oft von einer Woche auf die andere: Kein Bild, kein Wort mehr. Sprachlos geworden? Den Sinn verloren? – „Wie schade“, denke ich dann, „wo sind Eure Geschichten geblieben?“

Und wieder andere, die mal (vor langer Zeit) hipp mit ihren Blogs (und Inhalten) unterwegs waren, sind heute Instagrammer (meist ohne Inhalt), betreiben fortwährendes #selfbranding und vermarkten sich und ihre Produkte nun in #podcasts (und auch in diesen Ecken stinkt`s schon ein wenig nach Gestern).

Alle, die es tun – also ihre Marke mit großem und kleinem Storytelling betreiben und die eigene Story dann im Stile eines bunten Lebens vermarkten – müssen es wohl auch tun: In Zeiten wie diesen haben Kreative es sowieso schwer. Ihnen fehlt das gewisse Etwas am „too big to fail“. Und sind so zwangsläufig stets auf der Suche nach #Sensationen, um ihr Publikum immer neu anzusprechen. Offensichtlich funktioniert dies vor allem über Masse und Marke. – Ein Trauerspiel.

Da habe ich es gut: Ich schreibe hier im Blog aus reinem Vergnügen. Ohne Zwang, damit Geld verdienen zu müssen oder einer #Marke, einem #Stil oder einem #look hinterherlaufen zu müssen.

Ich kann es mir also erlauben altmodisch ,ein Anhänger der Langsamkeit und ein Freund meines Arschgeweihs zu sein. Der Kreis der Interessenten ist überschaubar. Und – wie wir ja gerade leidvoll aus anderen Lebensbereichen erfahren – die Masse ohnehin nicht so gesund. Und nie mein Ziel.

Bleibt die Frage des Warum. Warum blogge ich noch und produziere Inhalte, wo andere auf stylishe Streams setzen? Vielleicht findet sich die Antwort in der rückschauenden Zukunft? Vielleicht weil sich hier über (mittlerweile) Jahre hinweg, eine Art Tagebuch entwickelt hat und es schade wäre, damit aufzuhören? Die Beiträge und die Bilder im Blog haben sowohl eine Art „kollektives“ Gedächtnis als auch ein „privates Erinnern“. Dieses Arschgeweih das passt zu mir.

Im Kontext der Fotografie und des Selfie-Wahns, sagt Wim Wenders unter anderem:

„Diese Bedürfnisse hören nicht auf zu wachsen und machen uns abhängig.Und so sind wir immer mehr einer Technik unterworfen, die wir schon längst nicht mehr beherrschen (wir wissen lediglich, wie sie bedient wird) und sind zunehmend fremdgelenkt statt selbstbestimmt.“ (aus „Sofortbilder“, erschienen im Schirmer Verlag)

Mit „diesen Bedürfnissen“ beschreibt er das „Moderne Ich“, das sich ständig und überall davon überzeugen muss „wer und wie und wo es ist“ und deshalb das „Selbstie“ mehr liebt als sich selbst.

Und das geht wohl als Lifestyle-Stream am besten. Ohne viele Worte zu verlieren. In Endlos-Dauerschleife.

Ich aber habe diesen gemächlichen Blog. Er wirkt vielleicht bieder. Doch, ich finde, es steht ihm gut und er darf es auch sein: So wie die vielen kleinen und ländlichen Gebiete dieses Landes: Irgendwie aus der Zeit gefallen.

28 Kommentare

  1. Nachdenkliche Worte, mit (aus meiner Sicht) richtigen Schlussfolgerung. Ich mag gemächliche Blogs in der Zeit des schnelllebigen. Sie haben Substanz und bieten Raum genau für solche Beiträge wie diesem. Mit passenden und in ihrer Staubigkeit entzückenden Bildern. ?

    • AlleAugenblicke

      … in ihrer Staubigkeit entzückenden Bildern“…. Danke: ein wunderbarer Satz!

  2. Triste findet immer in Köpfen von Leuten statt, die ihre eigenen Tristes nicht entfliehen können. Kreativen ist Tristes ein Bild. Ein Bild ist wiederum Inspiration für den Kraetiven. Daher schreiben Kreative gern und sie lesen auch gerne. Da beides wiederum zur Kreativität führt. So ist ein Blog für den Tristen Tristes und für den Kreativen die Heimat seiner Kreativität. Und die findet im Alles statt. So hat dort auch alles seinen Platz. Das Gestern, das Heute und auch das Morgen.
    Lg Robert
    Sehr ansprechender Post aus der Vergangenheit, die auch immer ein Jetzt ist.

    • AlleAugenblicke

      So ist es wohl. Seien wir einfach weiter kreativ. Aufhören ist ohnehin keine Option!

    • Stefanie Schulte-Rolfes

      Yeah…….toller Kommentar 🙂

  3. Freue mich immer, wenn neue Beiträge auf Deinem Blog zu lesen sind, bleib bitte „altmodisch“! P.S.: Bilder sind großartig zu diesem Artikel ausgesucht!

    • AlleAugenblicke

      Vielen lieben Dank. Allein dafür lohnt es sich weiterzumachen

  4. Bludgeon

    Ja. Endlich sagts mal einer. Die Luft ist raus aus der Bloggerwelt! Leider. Klar kann man sich eine Weile selbst motivieren, wie hier oben gerade geschehen – aber mit den Inhalten verschwinden auch Leser. Verschwinden anregende Diskussionen in der Kommentarspalte. Man schreibt, schießt ins Blaue – und? Schweigen im Walde. Die Lust am prickelnden Streit um Geschmacksnuancen hat sich ausgetobt. Ergänzungserlebnisse zu einem Blog-Post schildern – wozu? Anything goes. Lass laufen. Die Atomisierung der Gesellschaft schreitet rasant voran. Das Versanden von (früher mal) Gewissheiten ebenfalls – es ist kein guter Trend zur Zeit.

    • AlleAugenblicke

      „Die Atomisierung der Gesellschaft…“ , was für ein gleichzeitig schöner wie erschreckender Satz.
      Es ist wohl so, dass Bloggen, der Austauch und der kritische Dialog nicht mehr „in“ sind. Aber darf uns das schrecken oder machen wir nicht einfach weiter in der Hoffnung, Gehör und Resonanz zu finden? Und wenn es nur einer ist. Das ist schon mal was.
      Liebe Grüße,
      Werner

  5. Du zeigst uns immer schon eine besondere Art „Arschgeweih“ – mag ich sehr und kann so weiter gehen. Auch die Bildauswahl ist wieder großartig.

    • AlleAugenblicke

      Danke, Conny: „Wir dürfen sein, wie wir sind…“ – Ja so ist es. Damit ist eigentlich alles gesagt!
      Liebe Grüße,
      Werner

  6. […] kam ich bei Conny – lichtbildwerkerin vorbei und es tat so gut! Conny hatte einen Beitrag bei Werner – AlleAugenblicke gelesen. Worum geht es da? Werner bemängelt auch die Bloggerwelt in denen er anstatt auf Inhalten […]

  7. JoFer

    Der immer mal wiederkehrende Blogger Blues. Taucht aber meist nur bei denen auf, die mit Reaktionen rechnen. Warum führt man sein Blog? Selbst da, wo kommentiert wird, entsteht selten eine Diskussion; fast immer läuft es nach dem Schema “Kommentar”, dann Antwort des Blogbetreibers, dann Schluß. Kaum Fälle, wo sich ein Dritter in dieses Kommentarschema einbringt.
    Wir wissen das und machen weiter; kritisch, heiter, optimistisch, oder?!

    • AlleAugenblicke

      Ja sicher mache(n) ich (wir) weiter. Mein „Blues“ hat aber mehr mit meinem Bedauern darüber zu tun, dass Blogs, denen ich gerne folgte, da sie Inhalte hatten, tatsächlich „verschwinden“. Und andere, die „früher“ mal Inhalte hatten, sich auf das massenhafte Absetzen von (inhaltsleeren) Fotos beschränken.
      Spannend aber, dass so ein Beitrag wie dieser, dann doch so eine Resonanz erfährt.

      • JoFer

        Vielleicht hatten die ja zu den Inhalten keine Resonanz? Und ‚inhaltsleer‘ als Kategorie für ein Foto – vielleicht ist ’nach meiner Meinung nichtssagend‘ besser.
        Das auch gute Blogs verschwinden, ist natürlich bedauerlich, vor allem, wenn sie einfach weg sind und man nicht weiß, wo der Grund dafür liegt.
        In diesem Sinne viele Grüße,
        JoFer

        • AlleAugenblicke

          Stimmt, ich revidiere: „nichtssagend“ trifft es genauer. Wobei ich das gar nicht so sehr despektierlich meine. Es ist eben der „Zeitgeist“: Wir wollen mit „schönen“ Fotos unterhalten werden, soft, in „schönem“ Licht und mit „schönen“ Menschen. Ist so ein wenig wie ein Rosamunde Pilcher Szenario: Eine heile Welt. – Bitte nicht falsch verstehen: Soll und muss es geben. Und dennoch fehlt es mir mithin hier und da an Tiefe.
          Viele Grüße,
          Werner

  8. Ich fühle mich in einer Welt, die oft gegen den sogenannten „Mainstream“ funktioniert wohler. Leute tun Dinge, weil sie diese mit Herzblut tun. Sie erlauben es sich langsam zu sein. Sie haben in Corona die Chance der Ruhe genutzt. Eigentlich hat es mich nur gestört, dass plötzlich so viele Leute im Wald waren, in dem ich immer allein unterwegs war ? Diese Menschen sagen, was sie denken – ehrlich! Ja, sie haben damit weniger Freunde, dafür kennen sie diese! Qualität statt Quantität!

    Bleib du ruhig altmodisch, langsam – das Arschgeweih in einer viel zu schnellen Zeit! In der Jugend kann man ja nicht schnell genug sein – vielleicht wird man auch irgendwann langsamer, damit der Weg bis zum Ende noch länger dauert? ?

    Wie schon bei Conny geschrieben, ich lese oft und schreibe zu wenig. Daher habe ich heute auch mal bei mir einen Beitrag dazu gemacht, damit diese Blogs, die genau das machen – wie deiner, wie Connys Gehör finden!

    Es ist ein Privileg tun zu dürfen, was man will. Es ist so schön „frei“ zu sein! Es kommt nur auf den Standpunkt an! ?

    Herzliche Grüße und bleib wie du bist!

    Birgit

    • AlleAugenblicke

      Ja, bleiben wir da rückständig. Du hast Recht, Birgit. Wer weiß: was heute altmodisch ist, kann morgen bereits wieder in jedem Regal stehen 🙂
      Danke für deinen schönen Kommentar und deine Meinung.

      Liebe Grüße,
      Werner

  9. Hallo Werner,
    sehr schön geschrieben und positiv nachdenklich. Gut das es sowas noch gibt , manchmal möchte ich auch hinschmeissen..aber wohin dann mit meinen Nebelfotos und komischen Weltbetrachtungen eines Dauerpessimisten ? In diesem Sinn : Halte durch, wir sind die wahren Coolen ? Herzlicher Gruss, Jürgen

    • AlleAugenblicke

      Du hast vollkommen recht, lieber Jürgen. Wo sollten unsere Fotos denn landen, wenn nicht in unseren Blogs?
      Gruß von einem wahren Coolen an den anderen !
      Werner

  10. Hallo Werner,

    da bin ich ja mit meinen altmodischen Fotoblog und meinem Altglasgeraffel richtig aufgestellt. Alt und Alt gesellt sich gern ?

    Ich bin weniger der Geschichtenerzähler, wahrscheinlich ein Spätschaden des Deutschunterichts, wo mir das Schreiben in Aufsätzen verleidet wurde.

    Ich mache es einfach wie Du, just for fun ohne Gewinnabsichten, ich darf muss aber nicht ?

    Daher kann ich Deinem Beitrag voll zustimmen.

    LG Bernhard

    • AlleAugenblicke

      Hallo Bernhard,
      aber es ist doch auch schön, das zu machen, was einem gefällt, oder? Und wenn es „Altglas“ ist (was ich ziemlich toll finde, mal so ganz nebenbei), dann ist es eben das! Beib dabei!
      Liebe Grüße,
      Werner

  11. lieber werner, ein schöner text zu einem thema, das ich sehr ähnlich empfinde. ich freue mich, dass ein paar von den “arschgeweihen” geblieben sind und ich gedenke auch, meins zu behalten – auch wenn es wesentlich stiller und langsamer geworden ist als es mal war. ich hoffe, wir erhalten uns diese kleine, aus der zeit gefallene blase.

    • AlleAugenblicke

      Ich mag deine „aus der Zeit gefallene Blase“ sehr, Paleica. Hör nur nicht auf damit!
      Ganz liebe Grüße,
      Werner

  12. Ein paar bemerkenswerte, inspirierende Kommentare, die mir eigentlich eines zeigen: Klasse statt Masse. Finde ich gut!
    Im Übrigen möchte ich gerne auf Blogs schauen, wie auf andere Gruppierungen, Personen, Kontakte. Manche haben Bestand, andere verlassen uns. Teilweise auch, weil sie sich selbst verlassen haben. Alles und jeden halten, das gelingt nicht. Sich selbst darf man davon ausklammern… ?

    Ich für meinen Teil bin überzeugt davon, dass es uns „stille Blogger“ nicht deshalb noch gibt, weil wir den eigenen Vintage-Style feiern, sondern weil wir (auch ohne es en detail zu merken) nicht schneller leben, als die Zeit, und an den Erfahrungen zu reifen gelernt haben. Denn das genau ist die Form von Veränderung, die bedeutungsvoll ist. Sie steht einer modisch-seltsamen Nachfolge von Trends und Likes-Sammlern so herrlich heilsam gegenüber. Und eines nehme ich mit einem Lächeln in der Seele zur Kenntnis: Man kennt sich schon, oder man findet sich früher oder später. Es ist alles gut.

    Herzlich, Dirk

  13. Danke für deinen Gedanken anregenden Beitrag. Ein Blog ist nicht statisch, Menschen sind nicht statisch. Irgendwann setzt sich auf alles eine Staubschicht. Wir sind vergänglich. Na und? Staub lässt sich leicht wegwischen. Und irgendwann werden wir eh alle wieder Staub sein ?

    • AlleAugenblicke

      Wie wahr… Und so ganz nebenbei: Was gestern Staub war, ist morgen wieder Trend.
      Glaubt wohl auch Jeff Bezos und denkt über die Re-Animation von „Tante-Emma-Läden“ nach….
      Liebe Grüße,
      Werner

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