Neulich las ich irgendwo, dass wir uns inzwischen im Zeitalter des „Wortes“ befinden, nachdem wir ein Jahrzehnt und länger im Zeitalter des „Bildes“ lebten. Das gesprochene Wort hat dem Artikel zu Folge, das Bild in seiner Bedeutung abgelöst.
Aha.
Der Autor des Artikels machte seine Aussage vor allem an der „Clubhouse App“ fest und begründete im weiteren Verlauf seine Behauptung auch mit der „Flut“ an Podcasts. Den Grund für diese Entwicklung (also diese hin zum Wort) sah der Autor (leider ist mir gänzlich entfallen, wo ich auf diesen Artikel stieß) an der „Flüchtigkeit“ des gesprochenen Wortes, das ebenso schnell geäußert wie wieder vergessen ist. So passe das Wort doch gut (besser) zu der Schnelllebigkeit des Netzes und überhaupt: unserer Welt.
Nun ja: Worte kann man (noch) schneller rausrotzen als Fotos. So weit, so banal. Aber auch so gut?
Viel zu viele Gedanken, Schädel explodiert,
Überdosis Bilder, überinformiert
Lügen und Tabellen, Horror schwarz auf weiß,
Werbespots und Terror, bis du nichts mehr siehst
Aus : „Nöher zo mir“, Wolfgang Niedecken
Der Mensch braucht ja eine Ordnung, die Orientierung und Halt bietet: Sie ist die Klammer in der Gesellschaft. Und wenn es denn hilft. Na dann: leben wir eben im Zeitalter des Wortes.
Ich ahne nur, es wird nicht helfen. Leben wir nicht eher im Zeitalter des „Zuviel an Worten und Bildern“ , des „Viel-zu-schnell-abgesonderten-Mülls-ohne jegliche-Reflektion“? – Das gilt für Worte und für Bilder.
Weck mich aus dem Albtraum, sag mir wo ich bin,
in all den Labyrinthen, bleibt mir nur deine Stimme,
lieb mich, wenn ich hasse, wärm mich, wenn ich friere,
das einzig, was ich wirklich weiß, ist, wo ich hingehöre.
Aus : „Nöher zo mir“, Wolfgang Niedecken
Zum Glück bleibt die Wahl. Und die Freiheit, jederzeit den „Off-Schalter“ zu betätigen.
Im Hinblick auf die Entscheidung öfter mal die Spreu vom Weizen zu trennen, lege ich den Interessierten an der Fotografie und des geschriebenen Wortes 🙂 das Buch „Freude am Sehen“ ans Herz. Ich bin über einen Beitrag bei Michael Omori Kirchner gestoßen.
Man muss es nicht „kontemplativ“ nennen. Man darf auch getrost alle anderen Schlagworte vernachlässigen, die im Buch eine Rolle spielen. Die Empfehlung lautet einfach, die Freude am Sehen zu haben (oder wieder zu finden) und sich auf das (auf sein) Fotografieren einzulassen.
Das ist am Ende berauschender, als im ewigen Stream der Netzwelt vor Langeweile zu ertrinken.
Lieber Werner,
manchmal ist es fast beämgstigend, wie Menschen mit ähnlichen Interessen synchron über Themen stolpern.
Den Widerspruch zwischen einem Zeitalter des Bildes und des Wortes sehe ich (auch) nicht. Ich halte es sogar für eine gravierende Fehlinterpretation, das Bild durch das gesprochene Wort abgelöst zu sehen. Meiner Meinung nach dominieren Bilder immer noch und immer mehr unsere Wahrnehmung, im Positiven wie im Negativen, im Bedeutsamen wie auch im überwältigenden Rauschen.
Ein überwältigendes Rauschen gibt es auch im Wort. Geschrieben und gesprochen. So gewaltig die Bilderflut auch sein mag, die Flut des Wortes steht ihr nicht nach. Es bleibt uns also nicht erspart, auch hier die Spreu vom Weizen zu trennen und nach Relevanz des einzelnen ‚Angebots‘ (Bildes, Bilderstreams, Textes, Blogs, Podcasts, Radiosenders, Fernehkanals usw.) für uns selbst zu bewerten und auszuwählen.
Dein Blogpost fällt zeitlich zusammen mit dem Versuch von Oliver Schlecht, Ivan Slunjski und mir, selbst einen Podcast zu sarten. http://www.foblofon.de . Warum tun wir das? Wir tun es, weil es uns Spaß macht, uns mit Bildern und Worten von Fotografierenden auseinanderzusetzen. Weil es uns Spaß macht, miteinander zu reden und weil wir hoffen, ganz nebenbei auch den Hörern (falls es welche gibt) die Blogs und Bilder zu erschließen, die uns selbst aufgefallen sind. Im Rauschen.
Liebe Grüße und bleib gesund, Werner!
Stefan
Lieber Stefan,
ich habe gelesen, dass Ihr einen Podcast startet (und die Ausgabe „0“ habe ich bereits gehört 🙂 )- Bin gespannt, wohin dieser Weg Euch führen wird. Du weißt ja, worum es mir geht: Klasse statt Masse! Mein Schreibe hier ist ein fortwährender Appell, nicht jedem hinterher zu laufen, sich von Zwängen zu befreien, das zu tun, was man selbst gerne tun möchte (auch wenn es keine „Herzchen“ dafür gibt). Ein Appell an Kreativität und Qualität. (Aber wer liest das schon 🙂 – Egal, ich mache weiter!
Ich wünsche Euch beim Podcasten vor allem viel Freude!
Ganz liebe Grüße,
Werner
Eine Anmerkung noch, lieber Werner, zu den Bildern in Deinem Artikel. Wie so oft, schaffst Du es mit großer Selbstverständlichkeit Bilder zu verwenden, die auf der Ebene des Offensichtlichen nichts mit dem geschriebenen Wort zu tun haben. Die Verbindung entsteht erst im Kopf des Lesers und Betrachters und erzeugt bei mir heute das Gefühl von Vertraulichkeit, Erinnerung und persönlicher Nähe. Besonders die ersten drei Aufnahmen , die sich auf engere Ausschnitte beschränken, finde ich heute wieder sehr gelungen!
Viele Grüße: Stefan
Danke, Stefan. Tatsächlich sind die Fotos mit der Lektüre des Buches „Freude am Sehen“ entstanden: Lass dich auf den Moment ein, sei bei dir und lerne sehen…. Alles Bilder von Dingen, die alltäglich um mich herum zu finden sind.
POETISIERT EUCH…….Ich schaue auch gern hier vorbei, einfach um meinen Augen ( und Ohren ) etwas sinnliches zu gönnen, mich in FORM zu bringen. Sich ausdrücken, ob durch Worte oder Fotografie hat ja viele Facetten, ist vielseitig. Und das Betrachten gehört dazu und ist auch eine Art Kreativität. Die Ästhetik ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Liebe Grüße ?
Lieber Werner,
als ich Deinen Kommentar „Aber wer liest das schon ? – Egal, ich mache weiter!“ gelesen habe, habe ich innerlich ausgerufen „Ich, ich lese das und Ja, mach‘ weiter!“ …
Tut so gut solche solche Gedanken in dieser Zeit.
Für mich hängen Deine letzten beiden Posts zusammen.
Der „viel zu schnell abgesonderte Müll ohne Reflektion“ hat vielleicht ja auch damit zu tun, dasss wir ein Stück weit verlernt haben die Stille auszuhalten. Wie der technische „Ping“ in der Welt des Internets werden Bilder und Wörter in die Welt gesendet um Antwort in Form von Herzchen zu bekommen als Bestätigung des eigenen Seins – nehem ich mich gar nicht aus.
Ganz liebe Grüße,
Frank.
Danke lieber Frank. Letztlich ist es auch der kleine Kreis der Menschen, der mit Gefühl und wachem Verstand ausgestattet ist, für den ich diese SChreiberei hier betreibe. In aller Stille und BEscheidenheit.
Ganz liebe Grüße und bleibe bitte gesund
Werner
Lieber Werner,
auf deine Beiträge freue ich mich sehr, Vielleicht auch, weil es da eine Gemeinsamkeit zu dem gibt, was mir selbst sehr viel bedeutet. Es geht um die Fusion von Wort und Bild. Eine Geschichte, ein Bild, eine Stimmung. Erlebnisse, Schreiben und Fotografieren, das hängt für mich unmittelbar zusammen. Ich würde mir auch nie ein entweder-oder vorstellen können. Nichts löst das andere ab. Es ist eher ergänzend, unterstreichend, vollendend. Mal vom Bild zum Text, oder auch vom Text zum Bild.
Das Foto der Kleiderbügel ist in dem Zusammenhang eine kleine Sensation! Das würde ich mir „aufhängen“.. ?
Und bitte, ja, mach´weiter!
Herzliche Grüße, Dirk
Lieber Dirk,
ja, da gibt es wohl so einiges was uns verbindet. Und für diese Verbindungen lohnt sich jeder kleine Blogbeitrag.
(Das Bild der Kleiderbügel mag ich auch sehr :-))
Liebe Grüße,
Werner
eigentlich interessant… erst kam das bild ins internet, um das geschriebene wort abzulösen, jetzt kommt das gesprochene wort, um das bild abzulösen… entwicklungen…