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Laternenumzug

Bei dem Beitragsfoto handelt es sich um eine Langzeitaufnahme 30 Sekunden, Blende 18. Aufgenommen mit meinem „Liebling“, dem 35mm Objektiv.

Es ist während eines abendlichen Spaziergangs zur „allerbesten Stunde“ (zwischen 19 und 20 Uhr) entstanden, auf dem ich in 45 Minuten niemandem begegnet bin: Kein Mensch, kein Tier. – Ja, das ist ein Dorf. Aber niemandem zu begegnen, das ist … nun ja… nachdenkenswert:

Vom Ende der Geschichte

Die Frage nach dem „Wann“ ist von keiner großer Bedeutung.  Das „Wie“ schon eher. Und ohne das „Was“ macht alles keinen Sinn.

Irgendwann waren sie Thema: Neue Lampen braucht das Dorf.  Ich erinnere mich an Diskussionen in den politischen Gremien: Welcher Typus? Wie hell? Wie viele?  Und auch die Menschen diskutierten, wogen ab und brachten sich ein. Die Entscheidung? – Nun, sie fiel zugunsten des Laternentyps, der bereits in anderen Dörfern der Umgebung installiert war. Des Corporate Designs wegen, wie man den Menschen glauben machen wollte.

Parallel zur Laternenfrage  verlief die Diskussion über die kleine Dorfschule. Jedenfalls erinnere ich es so. Aber wie gesagt, dass Wann ist im Grunde nicht wichtig.

Irgendein schlauer Mensch hatte vor Urzeiten einmal gesagt: „kurze Beine, kurze Wege“ –  Und mit diesen vier kleinen und simplen  Worten hatte er eine Schulpolitik umrissen, die Kinder in den Mittelpunkt des Handelns stellte.  So einfach kann es sein.

Nun aber –zur Zeit der Laternendiskussion – galt das nicht mehr: Jetzt wurde über Kosten, sinkende Schülerzahlen und Lehreraustausch geredet. Pisa war nicht mehr nur die Stadt mit dem schiefen Turm in Italien, sondern plötzlich stand Pisa auch für den Bildungswettbewerb. Ein Wettbewerb bei dem –so wie wir heute wissen – kaum jemand gewinnt, aber jede Menge (Schüler) verlieren. Auf einmal ging es nur noch „billig“  (ich scheue das steril-kalte Adjektiv „kostengünstig“ im Zusammenhang mit Kindern). Auch hier –wie bei den Laternen – Diskussionen. Doch heute weiß ich: Das Ergebnis stand schon fest, noch bevor der erste Beschluss gefasst worden war. Die Schule wurde geschlossen. Die zermürbenden Diskussionen dienten nur dem einen Zweck: Volk, halte still.  Und das ganz weichgekuschelt und demokratisch. – Nur kurz, und gar nicht mal so laut, war der Aufschrei, als sich die Schultür endgültig schloss.

Mit der Schließung der alten Schule versiegte ein Quell: Junge Familien, die bis dato die Schule als Standortvorteil bei ihrer Überlegung ein Haus zu bauen für sich empfunden haben, bauten jetzt doch lieber woanders: „Näher an der Stadt“.  Junge Menschen, die hier groß geworden waren, zogen weg. Sogar dann, wenn sie mit ihrem Partner aus der Nähe eine Familie gründeten und Haus und Hof vorhanden waren.  Jetzt sprachen die Alten über Nachwuchssorgen in ihren Vereinen. Nachdem in die Kneipen und kleinen Läden längst  Ruhe eingekehrt war, wurde es nun auch auf den Straßen und den wenigen Spielplätzen im Dorf still.

Heute schmücken nicht wenige Häuser im Dorf  die Schilder „zu verkaufen“. Sie baumeln im Wind und erinnern an die öden Bilder des amerikanischen Mittelwesten  seit Beginn der „Krise“.

Die Krise hier, über die kaum jemand spricht, hat mit uns selbst zu tun. In welchem Land wollen wir leben? – Und der letzte macht das Licht aus.

18 Kommentare

  1. Upps, diesen Blog kenne ich ja noch gar nicht von Dir. Aber jetzt geht mir, dank der Laterne, auch ein Licht auf. Ja ja, der Zahn der Zeit dreht sich und das ist auch gut so. Ohne Veränderungen wäre das Leben doch langweilig, egal in welchem Land. Hauptsache der letzte macht das Licht aus. 😉

    LG, Gerd

    • pechmann

      Ja, ich musste mal was Neues machen 🙂 – Welcome here.

  2. diese dinge sind traurig. bei manchen sachen darf es einfach keine kosten nutzen rechnung geben. aber irgenwdie nimmt die globalisierung, unter die ich das manchmal zusammenfassen muss, einfach überhand. man könnte stundenlang darüber sinnieren und es macht ja leider doch nichts besser. irgendwann wird das pendel aber wieder in die andere richtung schwingen, da bin ich ganz sicher.

    dein foto gefällt mir übrigens sehr gut!

    • pechmann

      Danke, Paleica. Freut mich, dass dir das Foto gefällt. Ich mag es nämlich auch sehr gerne.
      Wir leiden eben darunter, dass wir immer weniger werden. Und die, die übrig bleiben, ziehen in die Städte..
      Lg,
      Werner

  3. Wir haben hier einen Kindergarten, eine Mittelschule und seit ca. 2 Jahren einen Supermarkt. Viel los ist bei uns aber Abends auch nicht, zumindest nicht auf den Straßen.
    Über Wachstum kann sich unser, einstmals, kleiner und beschaulicher Ort jedoch nicht mehr beschweren. Sehr günstige Grundstückspreise machen die unpopuläre Lage des Ortes zu Nebensache und ständig gibt es an irgendeiner Ecke des Dorfes ein neues Baugebiet.

    Wir leiden langsam darunter, dass wir immer größer werden … man kann es keinem Recht machen.

    Dein Bild gefällt mir auch gut, könnte auch von hier sein 😉

    Liebe Grüße, Jörg

    • pechmann

      N’abend Jörg,

      das klingt ja richtig nach Speckgürtel. – Wahrscheinlich ist der Ort verkehrstechnisch günstig zur nächsten Stadt gelegen… oder ist gar selbst Stadt? – Sicherlich hat dieser Unterschied zur hier, mit dem „Nord-Süd“-Gefälle zu tun. Der Norden und seine Flächenländer werden auf jeden Fall immer dünner besiedelt.
      Lg,
      Werner

  4. Oh ja, die Entscheidungen, mit nicht absehbaren Ergebnissen. Ein schönes Bild welches zum Thema passt.

    Viele Grüße Jürgen

    • pechmann

      Ja, so ist die Politik.WIr erleben es ja täglich.
      Lg und ein schönes WOchenende!
      Werner

    • AlleAugenblicke

      Danke Jürgen. Ja, da wird viel über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden.
      Lg,
      Werner

  5. Das letzte Licht im Dorf? So kommt es rüber, wenn man deinen Text gelesen hat. Der letzte macht das letzte Licht aus. 🙁 Schönes Bild zu diesem Post. LG, Conny

    • AlleAugenblicke

      Na ja, nicht ganz das letzte Licht. Aber wenn man im Dunkeln durch die Gassen und kleinen Straßen geht, stellt man schnell fest, wie übel beleuchtet das Kaff ist.
      Lg,
      Werner

  6. Überall wird gekürzt und gespart, dabei meistens an den falschen Ecken – ein schönes und zum Beitrag passendes Foto.
    Bei uns im Dorf verschwindet so nach und nach auch alles- vor einiger Zeit gab es noch ein kleines Lebensmittelgschäft, einen Bäcker, einen Metzger sowie eine Gastwirtschaft ;mittlerweile ist alles geschlossen bzw. aus dem Geschäft wurde ein Döner-und Pizzaladen…
    LG und ein schönes Wochenende,
    Netty

    • pechmann

      Vielleicht solltest du diese Entwicklung mit deiner Kamera begleiten??? Ist doch bestimmt auch spannend.
      Lg und auch dir ein schönes Wochenende!
      Werner

  7. Genauso hier im Dorf. Der kleine Tante Emma Laden wurde bereits vor 3 Jahren geschlossen, die Gaststätte schon länger. Schule ebenso. Es bleibt ein Friseursalon der seine besten Jahre hinter sich hat. Ich wohne in einem kleinen Neubaugebiet, doch bereits zwei Nachbarn sind weggezogen weil es ihnen nicht mehr passte für alles und jedes das Auto zu benutzen (obwohl sie das ja im voraus wussten). Vielleicht sollte ich auch mal mit der Kamera durch die Strassen ziehen.
    Dein Foto ist ein veritables Zeitdokument und gefällt mir davon mal abgesehen sehr gut.
    LG, Gilles

    • AlleAugenblicke

      Hallo Gilles,
      danke für deine Gedanken. Wäre es nicht was, das mal in deinem Dorf/Ort zu dokumentieren? – Friseursalon hört sich für mich nach einem guten Motiv an….
      Lg,
      Werner

  8. Als die Geschäfte noch existierten, habe ich leider noch nicht fotografiert…der Döner-Laden hat übrigens auch schon wieder dicht gemacht,wie ich heute erfahren habe … 😉

    • AlleAugenblicke

      Merci, Roland!

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