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Von Hohepriestern und Fangemeinden

Da sitzen zwei Menschen an einem Tisch und reden über Fotografie. Über Fotos, über Fotografen, über Gelegenheiten, über was man gerade so tut oder eben nicht. Über das was „hipp“ ist und über das was „out“ ist in der Welt der Fotografie.

Schmalspur -Anne – Will-Talk ohne große Substanz. Die Gemeinde will berieselt werden; und die Fangemeinde klatscht in den sozialen Netzwerken brav Beifall und fällt huldigend auf die Knie. Gerne stellt sie den Protagonisten Material (=Fotos) zur Verfügung, was dort am Tisch fachmännisch kritisch beleuchtet und sehr gerne auch zerrissen wird. Und die Gemeinde jubelt.

Die beiden Foto-Talker können das, weil da die Fangemeinde es so will. Und sie machen es, weil die Fangemeinde es will. Nachfrage steuert das Angebot. Und die Anbieter schaffen sich die Nachfrage. That`s the way it is.
Sie können es aber vor allem, weil Fotografie hipp ist. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, und wer nichts sagt, der existiert nicht. Daher teilt die Gemeinde Fotos über facebook und Twitter: Sie will wissen, dass sie existiert. Und wer einmal mit seinem Smartphone fotografiert hat, der weiß auch, was ein Foto ist: Das Bild von der Lasagne ist wichtiger, als die Lasagne. Und wer es nicht postet, hat nie gegessen. Und gerne peppt man das Foto noch ein wenig auf. Art for Art´s sake – Und dann geht`s ab damit zu den Hohepriestern der Fotografie zur Kritik.

Interessanterweise habe ich am Wochenende zwei Artikel zu den Massen an Fotos gelesen. Und beide sind lesenswert: Einer aus der„Süddeutschen“ , der andere aus der TAZ (das eigentliche Essay dazu gibt es leider nicht online. Sehr schade, da lesenswert).
Bildsprache verkommt so, wie unserer Sprache allgemein. (Keine Sorge, es folgt kein weiterer kulturpessimistischer Beitrag. Nur ein kleiner Gedanke zu einer Momentaufnahme in meinem Kopf): Wer sich mit Worten nicht auszudrücken weiß, der wird es auch nicht mit dem Medium der Fotografie können. Insofern ist der Verlust an Qualität auch dem Verlust an Sprache geschuldet. Und wer keine Sprache hat und sich nicht seines Verstandes bedienen kann, braucht die Hohepriester, um den Weg zu weisen. Wohin der mitunter führen kann, wissen wir.

Ich werde angesichts solcher Artikel wieder einmal leise: Warum um Himmels Willen mache ich Fotos? Und verbreite einen Teil davon über das Netz?
Diesen Gedanken und das Nachdenken darüber wünsche ich so manch einem der Fotos macht.

11 Kommentare

  1. HF

    So ist es, Werner!

  2. Hallo Werner, ja warum, aber warum um Himmels willen mache ich Fotos? Weil es mir ein tiefes Bedürfnis ist. Aber warum verbreite ich sie im Netz? Gute Frage. Wenn das Veröffentlichen nicht mehr auf diesem Wege möglich wäre, würde ich trotzdem Fotos machen. D. h., dass eine ist für mich erstmal von dem anderen getrennt. Aber ich wäre viellicht frustriert, weil kein Mensch aus meinem privatem Umfeld sich für meine Bilder, für Bilder an sich, interessiert. Insofern ist das I-Net doch toll, weil man Menschen trifft, die sich interessieren. Oder? LG, Conny

    • AlleAugenblicke

      Ja, Conny: Stimmt.
      Meine kleiner Beitrag richtet sich auch weniger an Menschen wie dich 🙂
      Ich bin punktuell einfach erschüttert, wer sich so alles im Netz tummelt und sich „Fotograf“ nennt. Und dann den „Hohepriestern“ der Fotografie kritiklos folgt und sie erst durch diese Kritiklosigkeit zu Hohepriestern macht. You know what I mean?
      Ich brauche hin und wieder diese Momente, in denen ich auch mein eigenes Verhalten reflektiere…
      Liebe Grüße,
      Werner

  3. Hallo Werner, da hast du mal wieder ein tolles Thema gewählt und einen guten Gedankenanstoß gegeben. Auch der Beitrag der Süddeutschen ist einige Gedanken wert.
    Es stimmt, es wird fotografiert wie nie zuvor, jedoch werden die Bilder immer weniger wert, wegen der Anzahl. Aber die Sache endet halt nicht nur beim Fotografieren, denn wer ein kleines bißchen was auf sich hält, macht eine Auswahl. Dadurch soll die Anzahl wieder erträglich werden und die Ergebnisse werden auch herzeigbar. Das eigentliche Problem wird sein, dass unsere Kinder wahrscheinlich gar keine Bilder erhalten werden, da sie als dateimedium irgendwann verloren gehen werden. Und so kann es passieren, dass von unserer Zeit weniger Fotomaterial übrig bleiben wird als von den 50 ern.

    Viele Grüße Jürgen

    • AlleAugenblicke

      Hallo Jürgen,
      deinem Blog und deinen Bildern ist anzusehen, dass du mit dem Medium „Fotografie“ auch anders umgehst. Für dich sind Fotos auch mehr, als der Schnappschuss und wahrscheinlich folgst du auch der Devise „Weniger kann auch mehr“ sein.
      Insofern bist du mit meinem Beitrag nicht gemeint. 🙂
      Aber du hast wohl recht: Wer weiß, wie wir in einigen Jahrzehnten auf diese Zeit zurückschauen. Und wie unsere Kinder dann Fotos speichern…
      Lg,
      Weener

  4. Ich denke, dass abgesehen von der einfachen und kostengünstigen Möglichkeit, zu fotografieren (Smartphone), das Bild tatsächlich die Sprache ersetzt. Anstatt zu schreiben „Ich stehe hier im Wald und das Abendlicht glitzert durch die Baumkronen, hinter mir…“ wird ein Selfie geschickt. Gut oder schlecht, kann ich nicht eindeutig einschätzen.

    Ein weiterer Punkt ist die Flut der Bilder, die durch paar Apps gejagt werden, damit sie geil aussehen. Den Stil bestimmt die App nicht der Fotograf. Und dadurch meinen viele, ein solch gutes Foto „kreiert“ zu haben, das es wert ist zu veröffentlichen und damit gute Momente, die festgehalten wurden, verwässern.

    Die Gurus, die dann die ganzen Brocken bewerten, sind meist selbst von ihnen erschaffen.

    Schließlich noch die eigene Nase. Denn dadurch, dass ein Auslösen nichts mehr kostet, wird auch die spätere Auswahl so groß, dass man noch mittelmäßige Bilder, die aus Versehen geschehen, verwerten kann.

    • AlleAugenblicke

      Ja, Bilder ersetzen Sprache. Aber: Je besser ich eine Sprache beherrsche, desto besser vermag ich mich auch mit Bildern auszudrücken (Achtung: These!). Nichts spricht dagegen, wenn sich durch ein Foto Stimmungen, Atmospähre und/oder Gefühle ausdrücken und dies auch virtuell mitgeteilt wird. Aber, wenn diese Mitteilung wichtiger als das ausgedrückte Gefühl wird, dann stimmt was nicht. Genau darum geht es mir (auch) in meinem Beitrag.

      Lg,
      Werner

  5. TOP! 100%ige Zustimmung meinerseits.
    Der Artikel aus der Süddeutschen bringt es wunderbar auf den Punkt: Wir wollen den Moment festhalten, und dadurch verpassen wir ihn.

    Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

    Lieben Gruß,
    Jörg

    • AlleAugenblicke

      Hallo Jörg,

      danke 🙂

      Lg,
      Werner

  6. Hallo Werner,
    wieder ein sehr schöner Denkanstoß und auch ein sehr wertiger Link auf den SZ Artikel.

    Ich möchte gerne den Gedanken von Christian ohne Werung aufgreifen: vielleicht ist die Bilderflut ja der „Aufbruch in eine neue Zeit“ ? Ich meine vor 50 Jahren konnte man sich „das Internet“ auch noch nicht vorstellen.

    Warum verbreite ich einen Teil meiner Bilder im Netz?
    Ich möchte ehrlich sein: meiner Meinung nach ist man (Frau auch), als Blogger immer ein wenig exhibistionistisch.
    Oder warum führst Du Deinen Blog ? 🙂

    Danke für Deinen Gedankenanstoß …

    Martin

    • AlleAugenblicke

      Hallo Martin,

      da hast du wohl recht: Wer Fotos macht, will sie auch zeigen. Stimmt! – Das mache ich genau wie viele andere auch. Aber wir posten und bloggen wohl nicht jede noch so kleine Momentaufnahme und nicht jedes Foto. Wir sind trotz exhibitionistischer 🙂 Veranlagung, kritisch bei der Auswahl der Fotos und Themen: Und das unterscheidet uns von den Massen, die Bilder in Unmengen verbreiten. – Vielen Dank für deine Meinung!
      Lg,
      Werner

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