{"id":5294,"date":"2020-10-10T10:30:00","date_gmt":"2020-10-10T08:30:00","guid":{"rendered":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/?p=5294"},"modified":"2020-10-11T14:01:00","modified_gmt":"2020-10-11T12:01:00","slug":"brief-an","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/alleaugenblicke.de\/brief-an\/","title":{"rendered":"Brief an …"},"content":{"rendered":"\n

Brief an Wolfgang<\/h2>\n\n\n\n

Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke<\/p>Aus „Ansichten eines Clowns“ von Heinrich B\u00f6ll <\/cite><\/blockquote>\n\n\n\n

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Ich gebe es ja zu: Die Idee zu diesem virtuellen Brief ist nach ein paar Gl\u00e4sern guten Weins entstanden. Also eine weinselige Idee. Sie ergab sich so: Ich sa\u00df am Tisch, las Zeitung und im Hintergrund lief „Niedeckens BAP“. Eine von mir zusammengestellte Playlist, die immer dann l\u00e4uft, wenn es meine Stimmung verlangt. Zun\u00e4chst liefen die Songs beil\u00e4ufig, dann aber begannen Musik, Texte und der Zeitungsartikel den ich gerade las (ein ZEIT-Dossier \u00fcber eine Reise durch Deutschland in Corona-Zeiten), ein Eigenleben zu f\u00fchren. Der Text des Dossiers und die Songs wuchsen zusammen. Alles wurde eines. Eine eigene Dramaturgie. Am Ende stand der Entschluss: Wolfgang, ich muss dir schreiben. Wahrscheinlich lag`s am Wein. <\/p>\n\n\n\n

Ihr Leser dieses Blogs verzeiht mir: Immer \u00f6fter stellte ich fest, dass Fotografie, Literatur, Kunst und Musik im Grunde Teile eines Ganzen sind. Sie sind Kinder der Kulturen der Welt und ihre Eltern sind Kreativit\u00e4t und Neugier. Deshalb hier mal etwas mehr Text und eben nicht \u00fcber Fotografie – Die begleitenden Fotos dieses Beitrags sind im Mai 2011 auf der Domplatte an zwei hintereinander liegenden Abenden entstanden. Damals mit meiner Nikon D60 (und dem Kitobjektiv 18-55mm). Meiner ersten „Digitalen“ nach \u00fcber zehn Jahren fotografischer Abstinenz. <\/p>\n\n\n\n

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Lieber Wolfgang, <\/p>\n\n\n\n

wahrscheinlich kannst du mit Briefen an dich pers\u00f6nlich und BAP als Band den Weg nach Kreta pflastern. Das ist mir heute egal. (M) einen musst du jetzt erleiden (und ja: wahrscheinlich liest du ihn sowieso nie; wei\u00dft ja nicht einmal, dass es ihn gibt. Aber das ist egal!) Wo fange ich an? Im Herbst 1981. Eine Fete in einem Dorf in Nordhessen: Vor allem Sch\u00fcler und Studenten, der Alkohol floss gut und reichlich. Es war nach Mitternacht, als Manni aus Bitburg (gesprochen „Bidbursch“) zum Auto wankte, und eine BASF Chromdioxidkassette (damals ja der ultimative Stand der Technik) holte: „BAP.“, k\u00fcndigte er an “ m\u00fcsst Ihr h\u00f6ren!“ – Ich wei\u00df nicht mehr wieso, aber ich dachte direkt an Punk (den ich damals nicht mehr h\u00f6ren wollte) und verdrehte die Augen. Den Rest der Partygesellschaft interessierte das ohnehin nicht mehr… Manni schob einfach die Kassette in die Anlage… und ich h\u00f6rte zum ersten Mal „Verdamp lang her“. Verstand nicht viel, aber war gefangen. Der Beginn einer Freundschaft. Der Rest ist Geschichte: Manni lieh mir das Band und ich h\u00f6rte „f\u00fcr usszuschnigge“ hoch und runter. Das alles war irgendwie…. neu. Zwei Wochen sp\u00e4ter hatte ich das Album und endlich verstand ich auch die Texte. Und in mir brannte eine Flamme. <\/p>\n\n\n\n

Von da an war irgendwie „nix wie bessher“ (auch wenn dieser Song in der Chronologie erst viel sp\u00e4ter auftauchte.) – <\/p>\n\n\n\n

Wir freundeten uns immer mehr an, du und ich. Na gut, davon wusstest du nichts. Aber egal: Irgendwie warst du da. Und mit dir unsere N\u00e4he zu Heinrich B\u00f6ll (den ich verehrte und den ich noch immer verehre), zu Dylan und Springsteen (die ich verehrte und immer noch verehre). <\/p>\n\n\n\n

Die Jahre flogen dahin: Und immer warst du mit deiner Musik pr\u00e4sent (mal mehr, mal weniger: nicht alle Alben waren der Hit f\u00fcr mich. Wie kann das auch gehen?). Konzerte in Hannover, ein skurriles Open-Air in Bad Salzuflen (wo der Hund begraben ist und gegen Endes der dreieinhalb Stunden Pizzableche auf die B\u00fchne wanderten und niemand nach Hause wollte), die beiden Konzerte im Mai 2011 auf der Domplatte, ein Lese -Solo-Abend in Minden\/Westfalen, Konzerte in der Lanxess Arena ein paar Jahre sp\u00e4ter, Zeltfestival in Freiburg und noch andere Steckdosen im Land, an denen ihr gespielt habt. Deine Texte waren nah an meinem Leben, erz\u00e4hlten von dem, was mich umtrieb, trafen immer den Nerv der Zeit und uns erz\u00e4hlten immer auch von den Zeiten, die mich nervten. <\/p>\n\n\n\n

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Vielleicht ist es das? Das gemeinsame Erleben einer\/der Zeit? Sind wir einfach „zosamme alt“ geworden? <\/p>\n\n\n\n

Wann immer das Leben auf die eine oder andere Weise zuschlug: immer gab es in Eurer Musik und in deinen Texten das St\u00fcckchen Halt, was mich (nicht selten an melancholischen Abgr\u00fcnden stehend) an die Hand nahm und mich wieder auf die Spur brachte: „Nemm mich met“ (besonders in der Tonfilm-Version), „Anna“, „F\u00fcr `ne Moment“ , „Paar Dach fr\u00f6her“ (gerne auch in der Version mit Meret Becker), Ach, was soll ich Songs rauspicken? Es ist das komplette Programm. Es ist zu einer Art Code meines Leben geworden. Nahezu jeder Song l\u00e4sst sich einer meiner eigenen Lebensphase zuordnen, <\/p>\n\n\n\n

Vielleicht ist es \u00fcberhaupt das, was Musik und Musiker \u00fcber mehrere Jahrzehnte tr\u00e4gt: Die Kunst, immer wieder den Kern seines Publikums zu treffen, es zu ber\u00fchren und mit ihm gemeinsam das eigene Leben zu reproduzieren?! <\/p>\n\n\n\n

Wegen dir, Wolfgang, hei\u00dft dieser Blog und das, was ich tue „AlleAugenblicke“. („All die Aureblecke“) … you know? <\/p>\n\n\n\n

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L\u00e4ngst ist dieser Blog so ne Art Tagebuch geworden (oft will ich es mir einfach nicht eingestehen) und mir war einfach danach, dir all das mal zu schreiben. Weinselig eben. <\/p>\n\n\n\n

Und auch mit dem aktuellen Album „alles flie\u00dft“ triffst du mich wieder dort, wo ich mich gerne ber\u00fchren lasse. Ja, Wolfgang, alles ist im Fluss. Du, ich, wir alle. <\/p>\n\n\n\n

Hoffentlich noch lange Rock ’n‘ Roll und was dazu jeh\u00f6rt.<\/p>\n\n\n\n

Danke f\u00fcr alles<\/p>\n\n\n\n

Werner <\/p>\n\n\n\n

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