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Dropsrundumgelutscht

Eine Replik

Endlich schreibt mal einer drüber, denke ich. Nein, falsch. Es sind sogar zwei: Hier und hier. Und recherchierte man ein wenig intensiver: Vielleicht  fände man sogar noch mehr Artikel dieser Sorte, wenn man das Netz auf den Kopf stellte.  Seit Tagen jedenfalls geht mir -angeregt durch beide Beiträge – einiges zu diesem Thema im Kopf herum. Gut, das schon früher: In Ansätzen hier oder hier oder auch hier . – Aber während Steffen und Kathrin nun aus ihrem persönlichen Blickwinkel schauen, geht es mir jetzt um das gesellschaftlich- egomanische Seidenweichgemurmel.

Wird ja auch Zeit für solche Artikel, denke ich. Denn meine Sehnsucht nach Ministern mit Turnschuhen und Politikern denen der „Tiffel-Toffel“ und das schöne deutsche Maledictum „Arschloch“ entgleist, ist unendlich groß. Wie sehr sehne ich mich nach einem Kinski, der die Fernsehöffentlichkeit selbstverliebt vorführt. Und meine Sehnsuch wächst mit jedem Tag, an dem weitere zigtausend ungemeinte Meinungen und bokeehversoffene Fotos das Netz verunzieren und Dutzende von Castingsshows dem braven Bürger schon am frühen Morgen als Realityshow verkauft werden.

Nur noch schön. Nur noch rund. Nur noch langweilig: Jedes Wort ist goldwaagenzertifiziert, jedes Foto so soft, jeder Text so ausgewogen. Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.

Kultur? – Bitte, was ist das für eine Kultur? Dropsrundumgelutscht.

Wer hat eigentlich noch was zu sagen? Und wenn was zu sagen ist: Wer traut es sich? Wir lieben den hellen Schein, wir gieren nach immer mehr und immer neuen „Likes“ und glauben tatsächlich, die Kommentare auf fb sind Meinungsäußerungen. Welcome to Social Media World: „Ist ja alles so schön bunt hier“ (ach, Rio, auch dich vermisse ich!): Meinungen (und ich meine „Meinungen“) sind in diesem bunten Laden ebenso wenig gewünscht, wie Nippel. Wir leben konsumverrauscht im eigenen Elfenbeinturm und lassen unsere Kreise doch nicht durch eine Haltung stören! Nein, wir mögen`s seidenweich: Wir könnten ja jemanden… ach ja herrjeh: Und dann die Kommentare! Ich vergaß: in weiten Teilen ist auch der Verstand für Rede und Gegenrede, Argumentation und Austausch mit dem Wert der freien Meinungsäußerung im Klo runtergespült worden.

Und Freunde:

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“   – Dieses schöne Zitat (irrtümlichweise dem ollen Goethe zugeschrieben) war selten so wahr wie jetzt.

 

 

 

7 Kommentare

  1. Das Problem, mein lieber Werner, ist die „Versnobung“ der Politik. Gerade am Wochenende lief im Spiegel-History Kanal eine Doku über Schröder. So einer fehlt uns. Ein Macher. Einer der den Mund aufmacht. Auch mal unpopuläres von sich gibt. Einer der mal poltert und dem Volk aufs Maul schaut.
    Die Tatsache jedoch ist: wir sind „vermerkelisiert“. Es werden schöne Worte für Nichts gefunden. Die Erhaltung der Macht und des eigenen Status Quo ist „denen“ doch wichtiger als die eigene Meinung klar und deutlich zu formulieren.
    Frau Merkel ist, wie ihr leidiger Vorgänger, eine absolute Machtpolitikerin. „Nebenbuhler“ die mal dagegen sprechen, die auch mal eigen sind, die gefährlich werden können, wurden peu a peu entsorgt. Ich denke da z.B. an Friedrich Merz.
    Ach, wie fehlen mir die Schmitt’s, Werner’s und Brand’s, die es sicherlich noch gibt, vom politischen Establishment jedoch nicht erwünscht sind.
    Das kotzt mich an 🙂

  2. Man mag vom Regierungsstil der Groko halten was man will. Ich will mich gar nicht in eine politische Debatte begeben, ich lebe zur Zeit in einem glücklichen Bundesland. Und da ist das Stichwort auch schon gefallen. Wir leben alle in einem glücklichen Land.

    Ja, es geht besser. Immer. Nein, ich negiere nicht, dass unsere Gesellschaft auseinaderdriftet, dass der Common Sense schwindet, dass man da vieles besser machen könnte. Und trotzdem: Wir leben in einem glücklichen Land. Wir sind frei. Mehr Freiheit des Einzelnen, Freiheit des Andersdenkenden muss man auf dem Erdball suchen. Ich sage nicht, dass es nicht irgendwo besser ist. Aber nicht viel. Alber an vielen Orten ist es schlechter als hier. Und diese rte liegen nicht weit entfernt. Der Ungeist keimt in Nachbarstaaten und er keimt auch hier. Irrsnnigerweise in der Opposition, nicht in der Regierung.

    Ja, es ist schon in Ordnung, einfach ehrlich zu sein. Darüber zu schreiben, dass man doch so frei sein müsste, diese Freiheit leben zu können, kann aber nur ein Spiegel sein, den man sich selbst vorhält. Wer will, der ist so frei. Das Maß der Diplomatie, das man selbst walten lässt, bemisst sich doch wohl vor allem aus der Antizipation des Echos. Oder ganz einfach:

    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

    • AlleAugenblicke

      Lieber Stefan,
      Hab vielen Dank für deine Gedanken. Ja, wir leben in einem glücklichen Land. Das teile ich uneingeschränkt. Mein Beitrag war aber on keiner Weise politisch gemeint. Er ist vielmehr Ausdruck des Bedauerns über den Mangel an Typen und das Fehlen eines tiefen und kritischen Diskurses.

      LG, Werner

  3. Hi Werner,
    genug gekotzt? Dann wäre der nächste Schritt vielleicht einfach damit anzufangen, deine Meinung ungeschönt, nicht weichgespült mitzuteilen. Wem auch immer, denen mit den geschönten Bildern, denen mit den offenblendigen Bildern, denen, denen du folgst. Keine simplen likes mehr, sondern knallharte Kritik, so du sie empfindest. Kein Schauen mehr darauf, wer etwas postet, sondern was gepostet wird. Entfache den Gegenwind, den du dir wünscht.
    LG, Conny

    • AlleAugenblicke

      Hallo Conny,

      oh ja. Genau. Widersprüche provozierend und den ehrlichen Dialog führen. Alles fängt bei einem selbst an. 🙂
      Danke für diesen Gedanken!
      Lg,
      Werner

  4. Schönes Foto und wie Recht der Goethe schon damals hatte. Dem ist nichts hinzuzufügen.

    LG, Gerd

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