Ich ziehe sehr gerne durch die Straßen von Städten und beobachte Menschen. Vielleicht liegt darin meine Lust begründet, dieses Beobachten auch in Fotos festzuhalten. Ich verfolge die „Streetphotography-Szene“ mehr oder weniger intensiv. Mit vielem, was innerhalb der Szene als „hipp“ propagiert wird, kann ich doch nur wenig anfangen:  Vieles erscheint mir zu aufgesetzt, zu stylish, zu modern: immer auf der Suche „nach dem einen Foto“.
Wie wohltuend „altmodisch“ (im besten Sinne des Wortes) und unaufgeregt kommt da der Bildband „Vor Zeiten – Alltag im Osten“ von Harald Hauswald daher: Ein feiner Beobachter inmitten des täglichen Lebens war hier unterwegs und hat das eingefangen, was wir nun, Jahrzehnte später als Zeitgeschichte anerkennen: Kleine Szenen des Alltags, Menschen in ihrem Sein, Straßen, Häuser und Infrastruktur im zeitgenössischen Kontext. Großartig, wie es Hauswald versteht, sein Umfeld und den Alltag der DDR zu portraitieren. Niemals aufdringlich, aber auch niemals distanziert. Immer mittendrin, kleine Geschichten erzählend. Wohltuend klar und präzise.
Ein toller Band  für alle, die zeitgenössische Fotodokumentationen lieben und einen anderen und neuen Zugang zur Fotografie auf der Straße suchen oder sich einfach gerne neu inspirieren lassen.
Ich zeige hier keine seiner Fotos, empfehle Euch aber gerne seine Homepage. Und natürlich unbedingt den beschriebenen Bildband:
Harald Hauswald
Vor Zeiten
Alltag im Osten
Fotografien 1976 – 1990
Lehmstedt Verlag, 2013
 Einen Amazon-link spare ich mir. Bestellt und kauft es lieber bei Eurem lokalen Händler!
Danke für den Hinweis!
Sehr gerne!
Herrlich!
Werner, ich verstehe Deinen Artikel nicht wirklich als Kritik an der aktuellen Street Fotografie, ich erlaube mir dennoch ein paar Fragen auf zu werfen.
Wie werden wir in 30 Jahren über die „hippe“ Fotografie von heute denken? Dann wenn wir uns wie jetzt auch nur an einzelne „gute“, die Szene prägende Fotografen erinnern. Wie werden wir Bilder anschauen? Spielt das einzelne Foto noch genauso eine grosse Rolle wie wie vor der digitalen Bilderflut oder wird man immer schneller Portfolios durchschauen und einzig das globale Bild der Zeit spielt eine Rolle? Welche Rolle spielt bei der Bewertung das Lebensalter des Betrachters? Hängen wir zu sehr an der „guten alten Zeit“ und deren Werte? Ist es einfach nur ein Generationenkonflikt wenn wir uns nicht mit der aktuellen Fotografie anfreunden können? War Fotografie vorher besser? … Die jungen Menschen werden ganz sicher andere Antworten finden als wir.
Viele Grüsse,
Gilles
Hallo Gilles,
du stellst die richtigen Fragen (ähem, finde ich jedenfalls) – Ich bin immer davon üerzeugt, dass sich soetwas wie „Qualität“ durchsetzt (nicht nur in der Fotografie). Was bleiben wird, sind Fotos die aufgrund ihrer Qualität (Inhalt, Aussage, Machart etc) einen bleibenden Wert darstellen. Und ich wage mal die Prognose, dass es nicht immer Bilder sein werden, die im Zeitgeist entstanden sind. 🙂
Und du hast Recht: Ich übe keine Kritik an der aktuellen „Street-Fotografie-Szene“. Ich beobachte nur und stelle fest. Für mich.
Vielen Dank für deine wirklich tollen Fragen.
Lg,
Werner
Hi Werner, ich finde dieser Film https://www.youtube.com/watch?v=AOHmvL5KeXw passt noch hierhin. Ab der 45′ gibt es ein paar interessante Aussagen.
Auch von mir ein „Danke“ für den Tipp. Da schaue ich doch sofort mal beim Harald vorbei.
Liebe Grüße, Gerd
Interessanter Artikel und interessante Kommentare. Ich denke, dass die Fotografie, wie fast alles, einem gewissen „Zeitgeist“ unterliegt. Wie die Fotografie in 30 Jahren aussieht mag ich mir nicht vorstellen, dass wir dann über die heutige Fotografie anders denken werden, dessen bin ich mir sicher.
Ich zähle mich nicht unbedingt zu den ganz jungen Leuten, muss aber ganz ehrlich sagen, dass mir das Portfolio des Herrn Hauswald nicht unbedingt zusagt. Nicht weil es nicht Hip ist, nicht weil es vielleicht nicht dem aktuellen Zeitgeist entspricht, mir gefallen einfach die meisten Bilder nicht.
Man muss nicht dem Zeitgeist folgen, man muss nicht immer „den“ entscheidenden Moment erwischen und nicht jedes Foto muss eine Geschichte erzählen, vielmehr sollte man sich auf die eigenen Stärken, den eigenen Geschmack und vor allem auf das eigenen Auge und die eigenen Sichtweise verlassen. Gute Fotografen gab und gibt es zu allen Zeiten, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, der Geschmack bzw. der Zeitgeist, wird dann allerdings ein anderer sein.
So genug geschwafelt, ich wünsch Dir ein schönes Wochenende, bis bald mal.
Liebe Grüße, Jörg
Hallo Jörg,
danke für deine Meinung. Gott sei Dank haben wir alle unterschiedliche Sichtweisen, Neigungen und Interessen. Wie langweilig wäre das Leben, wenn wir alle dasselbe abbilden würden.- Ich mag die dokumentarischen Arbeiten von Hauswald, ebenso wie die des Ehepaars Ute & Werner Mahler. Möglicherweise liegt es daran, dass mich auch das (fotografische) Festhalten gesellschaftlicher Vorgänge sehr anspricht.
Liebe Grüße,
Werner
Hallo Werner,
mein Kommentar war nicht böse gemeint, auch wollte ich Dir Deine Inspiration nicht schlecht reden, es ging lediglich um meinen ganz persönlichen Geschmack und meine ebenfalls persönlichen Vorlieben.
Was unterschiedlichen Geschmack, Neigungen, Interessen und Sichtweisen angeht – da bin voll bei Dir! 😉
Also lass Dir Deine Inspiration nicht madig machen, erfreue Dich daran und zeige uns mehr Deiner Inspirationen.
Liebe Grüße, Jörg
Hey Jörg,
so ist es auch gar nicht bei mir angekommen… Ich freue mich über kritische Kommentare. Also, es ist alles okay. Leg dir bitte keinen Maulkorb um 🙂
Lg und eine schöne Woche.
Werner
Hallo Werner,
nun habe ich mir die Webseite von Herrn Hauswald, der übrigens gerade in Berlin ausstellt, zweimal intensiv angesehen und ein paar Tage nachgedacht. Die Arbeiten haben einen stark dokumentarischen Charakter und sind dadurch von soziologischem und historischem Wert. Es ist ein Segen, dass Hauswald sich und seinem Tun treu blieb. Ein Zeitzeuge mit gutem Auge und ich würde gern einen langen Blick in dieses Buch werfen, um mehr Bilder für etwas zu haben, was ich nie selbst gesehen habe.
Das Genre „Streetfotografie“ wäre mir übrigens nur zu einem geringen Anteil der auf dem Portfolio vorgestellten Bilder eingefallen und ich würde sie nicht mit den Arbeiten anderer Streetfotografen vergleichen wollen. Insofern ergibt sich für mich die Diskussion über früher und heute eigentlich nicht, aber ich denke, in dem Genre gelten Cartier-Bresson, Erwitt und andere Größen nach wie vor als Vorbilder. Du schreibst, Hauswald habe die Menschen und sein Umfeld portraitiert. „Street“ portraitiert nicht, „Street“ sucht den einen Moment, den perfekten Ausschnitt, die perfekte Szene. Was perfekt hier auch immer bedeuten mag.
Liebe Grüße
Conny
Hallo Conny,
du weißt ja, ich nehme es nicht so genau mit der Differenzierung zwischen den einzelnen Genres. Mir ist es grundsätzlich egal, welches Etikett drauf klebt: Der Inhalt muss passen. Insofern bin ich wahrscheinlich zu unpräzise gewesen. Sicherlich entsprechen die Arbeiten Hauswalds nicht dem heute geläufigen Begriff „Street“. Tut mir leid, wenn ich da im Kopf Verwirrung stifte oder gestiftet habe. Wenn ich durch Städte und Straßen streife, mache ich niemals bewußt „street“; ich fotografiere. In welches Genre der Betrachter auch immer das Foto packen mag. Hauswald war in seinen diversen ausgeübten Berufen immer in den Straßen unterwegs und hat das Leben in Bildern festgehalten. Insofern habe ich es mir (zu) leicht gemacht.
Ich danke dir für diesen Denkanstoß. 🙂
Leider reden wir in unserer Gesellschaft (und auch in der Fotografie) zu oft über Etiketten und (immer noch) viel zu selten über Inhalte.
Lg,
Werner
Keine Ursache, Werner. Es ist ja auch nur meine Auffassung, andere sehen das anders und das dürfen sie auch :-D. Irgendwann wurde auf einem großen Blog eine Street-Fotografin vorgestellt, deren Bilder für mich irgendwie eher Architektur-Fotos waren, da Menschen allerhöchstens als Dekoration vorkamen. Andere wiederum meinen, dass Street auch ganz ohne Menschen stattfinden kann.
Stimmt, reden wir über die Inhalte. :-). Mich haben die S-Bahn-Surfer sehr beschäftigt und tun es immer noch. Ich bin noch zu keinem endgültigem Schluss gekommen, aber vermutlich läuft es darauf hinaus, dass ich nicht gut finde, solche Bilder unkommentiert zu zeigen. Die fast schon fröhliche Stimmung auf den Bildern steht in krassem Gegensatz zu der realen Gefahr und den Todesfällen. Vermutlich handelt es sich hier über Bilder zu einer Reportage, die sich im Text kritisch mit dem Thema, der Motivation der Jugendlichen und so weiter auseinandersetzt. Schade, dass kein Wort dazu neben den Bildern zu finden ist.
Schönes Wochenende und liebe Grüße
Conny
Auch von mir ein Dank für den Link zur Homepage. Das Theme Streetfotografie habe ich leider noch nicht so ganz entdeckt, hoffe aber dieses bald nachzuholen. Möchte mich gerne der Meinung von lichtbildwerkerin anschließen. Viele liegt halt im Auge des Betrachters 🙂
saludos Rue