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Kneipenbummel

Es ist kein bestimmtes Bild, was sich mir aufdrängt. Es sind vielmehr eine Reihe von Bildern, die sich zu einer Art Filmsequenz verdichten: Stimmengwirr, rauchgeschwängerte Luft, laute Musik, die von Musikcassetten abgespielt wird, Bierringe auf den Tischen, volle Aschenbecher, halbdunkle Räume, der Geruch von Pommes und Bier…. Und bei Tageslicht immer ein wenig eklig: Die Kneipe Ende der 70iger bis Ende der 80iger Jahre.

Dort trafen wir uns. Die Kneipe war so etwas wie unser zweites zu Hause. Nach der Schule, nach dem Training im Sportverein, bevor wir in die „Disko“ gegangen sind und oft auch nach der „Disko“. Dort kannten sich alle. Dort hingen wir ab. Und wer dort abhing war „in“.  In Kneipen lief die Musik, die im Radio nicht lief, denn was im Radio lief, gefiel unseren Eltern. In Kneipen sprachen und diskutierten wir über Themen, die zu Hause totgeschwiegen wurden. Und kamen Kneipenthemen doch einmal zu Hause zur Sprache, endeten die Gespräche meist in gegenseitiger Ratlosigkeit.  

Ich saß also oft in Kneipen. Präziser: In zwei Kneipen. In der Stadt meiner Jugend in Nordhessen. Dort spielten sich wesentliche Szenen meiner pubertären Existenz ab. Beide Kneipen wurden so ungewollt zur Bühne meines persönlichen Dramas „Erwachsenwerden“.                

Wann eigentlich wurde die Kneipe zur Lounge?

Irgendwann war sie einfach weg. Es war Schluss mit Alkohol. Rauchen wurde sowieso geächtet. Rockmusik wich geschmeidigen Beats, die kaum voneinander unterscheidbar, permanent den Raum beschallten. Die Bierringe auf den Tischen verschwanden, dafür gab es nun Aperol. Das schmierige Flair dunkler Räume wurde vom entsättigten Pastellton-Ambiente toter Instagram-Wohnwelten abgelöst.  Pommes waren auf einmal fettig und kalorienlastig, wer  Currywurst aß, war imEwig-Gestrigen verhaftet. Avocadocreme, Tortillas, bunte Salate und Ingwertee nahmen ihre Plätze ein.

Alles ist schön.  

Doch: Tatsächlich gibt es sie noch! Vereinzelt. Hier und da hat sie ihren Platz behauptet. Bescheidener als früher, versteckt hinter Glitzer und Glamour. Oft dort wo man sie kaum vermutet, da fristen sie ihr Leben: Die Kneipen.

Eine davon ist die Ziegelhütte. Hier in meiner Gegend. Sie hat vieles von dem, was einen Kult-Status ausmacht. Daneben gibt es gutes Essen und immer auch gute Musik. Die Ziegelhütte ist ein Grund mehr, den Kraichgau zu besuchen. Und dazu gibt es hinter der Theke eine „Type“, den eine Kneipe eben auch braucht um zu leben: Mado.

       

Dieser kleine Beitrag ist keine kommerzielle Werbung. Hier fließt kein Geld oder geldwerte Vorteil. Ich schreibe nur über Sachen, die mir Freude machen. Die Ziegelhütte und Mado gehören dazu.

3 Kommentare

  1. Lieber Werner,

    ein sehr schöner Kneipenbummel.
    Kneipen werden weniger, aber sie verschwinden nicht wirklich. Ich besuche – ab und zu – auch noch meine Lieblingskneipen, die immer noch Kneipen sind und genieße das sehr.
    Und deine wunderbaren Worte und Gedanken werden zu meiner Vorfreude, denn wir sind am Samstag mit Freunden in einer dieser Kneipen.

    Herzliche Grüße
    Jürgen

  2. …und wir rutschten immer auf die 2er-Bank hinter der Theke, von wo aus wir, am Wirt vorbei, Guinness trinkender Weise , nach vorne in die Kneipe schauen konnten. Vor uns, zwischen Aschenbechern und den Gläsern, ein Bastkörbchen, in dem auf einer rot-weiß karierten Serviette Frikadellen vor sich hin reiften. Beschienen vom Licht der braunen 70er Jahre Thekenlampen, und im Rauch des Abends, überkaum uns alle früher oder später der „Bierhunger“. Wer noch ein Brötchen dazu haben wollte, bekam zur Antwort: „Ist schon drin“. Meistens lief Crosby, Stills, Nash, James Taylor, oder je nach dem, wie viel Mädels anwesend waren, auch gerne Jennifer Rush. Jede/r kannte Jede/n, dort im Wohnzimmer des Heranwachsens. Wesentliche Teile meines Lehrlingsgehaltes sind bei Pieps&Steve über die Theke gegangen-und das gerne. Es war prägend. Es war gut. Es war wichtig.

    Wie wunderbar, lieber Werner, all´das mit deinem schönen, sentimental gefärbten Beitrag nochmal an die Oberfläche zu spülen. Ich meine, es war – gestern.

    Vielen Dank dafür, und Chapeau!

    Herzlich, Dirk

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