Längst haben Fotografien ihre Unschuld verloren. Sie sind schon lange zum Mittel von Manipulationen geworden, werden genutzt um Stimmung und Meinung zu machen, dabei werden sie nicht zuletzt viel zu oft selbst manipuliert. Was ist da schon ein Foto?
Die anderen wiederum, die in ihrer Fotografie Kunst sehen, oder mit ihren Fotos harmlose kleine Geschichten erzählen, laufen Gefahr in der grellen Kakophonie unterzugehen. „Einfach“ nur ein Foto zu zeigen oder über es zu sprechen, bedeutet aber eben auch – frei nach Brecht – so vieles zu verschweigen.
In diesen Zeiten leben wir. Wir kennen dies alles aus Büchern und Filmen, wir halten diese Erinnerung lebendig und wach. Und genau deshalb sollte es uns sorgen. Und doch: wir treiben dahin. Vielleicht spüren wir, dass sich Dinge verändern, doch wir realisieren dies kaum. Wir schieben wichtige Gedanken und Entscheidungen vor uns her und sind so vielleicht gemeinsam Mitglieder einer gewaltigen Prokrastination, ohne dass wir uns diesen Umstand bewusst machen.
Wie eine träge Herde Kühe schauen wir kurz auf und grasen dann gemütlich weiter
Herbert Grönemeyer
Längst ist aus diesem Fotoblog mit meinen Fotografien „all der Augenblicke“ etwas anderes geworden. Ich weiß nicht genau was, aber spielt das eine Rolle? Vielleicht ist dieser Blog (m)ein Ventil, die Gedanken auszusprechen, an denen ich alleine „ersticken“ würde? Ehrlich? – Ich weiß es nicht. Noch fehlen mir die Worte dafür. Vielleicht bin ich auch einfach müde? Müde vom „Wahnsinn“, der sich offenbar kaum noch Mühe macht, nicht als Wahnsinn wahrgenommen zu werden. Müde von der Schlacht um täglich neue Schlagzeilen, in denen „das Böse“ die Hauptrolle bekommt und „das Gute“ bestenfalls in einer kleinen Nebenrolle dahin dümpeln darf, während darüber gestritten wird, was überhaupt „böse“ und was „gut“ ist.
Ich wäre gerne auch weise
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Bertolt Brecht
All das macht mich müde.
Und zunehmend sprachlos.
Bei solchen Gedanken möchte ich die letzte Strophe von Gottfried Benns Gedicht „Dennoch die Schwerter halten“ zitieren –
und heißt dann: schweigen und walten, wissend, daß sie zerfällt,
dennoch die Schwerter halten
vor die Stunde der Welt.
Lieber Werner, ich fühle so gut was du schreibst. Mein Blog war schon immer mein Ventil, aber mit der zunehmenden Klarnamengeschichte und dem Vermischen von Internet und realem Leben und dann dem Hinzukommen von Social Media hat sich alles verändert, ist schwammig geworden und hat mich irgendwo zerrissen zwischen dem wunsch, mich auszudrücken, einfach nur platz für meinen gedankenmüll zu haben und dem wunsch nach austausch und gesehen werden, das – so kommt es mir vor – kaum noch möglich ist, ohne es exzessiv zu betreiben. gleichzeitig macht mich vieles „da draußen“ sprachlos. ich möchte schreien und weiß doch nicht, was ich sagen soll… und irgendwie… ist es anders als früher? vor 2 wochen bin ich über ein lied gestolpert, das ich lange nicht mehr am schirm hatte. in lüneburg war volksfest von udo jürgens. kennst du das? da scheint mir, dass alles schon lange so ist – nur nie so transparent und „nah“ wie durch die medien des 21. jahrhunderts.
Ich kannte es nicht. Aber es ist unheimlich treffend. – Danke, tatsächlich wird es schon immer so gewesen sein. Nur jetzt noch schneller und sehr oft noch blöder. Pass auf dich auf.
Lg,
Werner
ich geb mir mühe lieber werner <3
Es ist etwas durch das Älterwerden bedingt (spreche aus Erfahrung), aber auch dem sich steigernden täglichen Wahnsinn (nenne es einfach mal so). Einige Leute im Freundeskreis meinen, das alles macht den Abschied leichter.
Aber: wie sang schon Udo Jürgens -„…doch immer wieder geht die Sonne auf …“
Bleib tapfer, Werner, und mach weiter! Gruß, JoFer
Darauf wird es hinauslaufen: Älter werden und weiter machen …
Danke für deine Worte.
Lg, Werner
Unsere kleinen Blogs sind die Wirklichkeit der Welt, wenn man alles abschaltet was schreit und blinkt.
Ein Einblick in die Seele und Geschichte, ein Teil der Lebenslinien.
Eine großartige Inspiration zu wunderbaren Kleinigkeiten.
Und wenn jemand dazu noch belesen ist und seine Gedanken entlang eines Buches, Gedichtes oder Liedtextes formuliert, dann komme ich mir immer ein wenig klein vor und wünschte mir mehr Zeit zum Lesen und (Nach-)Denken.