Nein, ich tue es nicht. Jedenfalls nicht laut.
… über das Wetter reden. Und doch freue ich mich, wenn das nasse Einerlei da draußen so nach und nach ein Ende findet. Apropos Ende: Über Anfang und Ende habe ich viel nachgedacht in der letzten Zeit. Darüber gibt es viel zu sagen… Und das kann ich am besten mit einer kleinen Erzählung.
Freue mich auf Eure Gedanken dazu.
Ein Ende
Ich möchte, dass du gehst“.
Diese fünf Worte hallten noch immer in seinem Kopf. Fünf Worte, beinahe teilnahmslos, in jedem Fall tonlos und leise über den Küchentisch gehaucht. Nicht einmal mehr den Kopf hatte sie angehoben, stattdessen das leere Glas Rotwein in ihrer Hand angestarrt.
Er hatte kurz überlegt noch etwas zu entgegnen. Ein letztes Wort. Ein vielleicht letzter Versuch der Annäherung. Aber da waren keine Worte mehr. Zu vieles war zu laut gesagt worden in den letzten Tagen. So war er noch einen Moment am Küchentisch sitzengeblieben und hatte ihr stumm dabei zugeschaut, wie sie das speckige Weinglas in ihrer Hand drehte. Er fühlte sich kraftlos und fragte sich für einen Moment, wo er die Energie hernehmen sollte, jetzt aufzustehen und die Wohnung zu verlassen. Etwas war zu Ende.
Es war kalt draußen. Der Winter war zwar auf dem Rückzug (am Tag sah man schon die Menschen vor den Cafés auf der Straße sitzen), die Nächte aber waren noch immer empfindlich kalt. Die feuchte Kälte kroch jetzt durch seine Jacke und machte sich auf der Haut breit.
Nachdem er ihre Wohnung verlassen hatte, war er mehr oder weniger ziellos durch die Straßen gezogen. Anfangs noch benebelt von der großen Menge Rotwein, die er seit dem späten Nachmittag in sich hinein geschüttet hatte. Doch je länger er an den bunten Fenstern der Geschäfte vorbeizog, desto klarer wurde sein Verstand.
Maria. Dieser Name hatte was ausgelöst in ihm. Welche Frau heißt heute schon noch Maria, hatte er am Anfang gedacht. Und es war tatsächlich mehr der Name, der sein Interesse ausgelöst hatte, als ihr Äußeres. Hätte er nicht ihren Namen in der Menge gehört, weil jemand sie rief, er wäre an ihr vorbeigegangen. So war sein Blick in ihrem Gesicht hängen geblieben und er suchte darin das, was er mit „Maria“ verband. Er fand es nicht. Stattdessen wurde er von den traurigen, großen Augen gefangen, die scheinbar hilflos ein Ziel in dem Halbdunkel suchten an diesem Abend im „8mm“. Sie fanden ihr Ziel: ihn.
Alles hatte sich gut angefühlt. Das erste Kennenlernen, das zweite Kennenlernen. Das Lachen, die Stimme. Die Worte. Die Orte, an denen sie sich trafen. Ihre Art: Mehr Inhalt, weniger Verpackung. Und später: Ihre Lust und Hingabe.
Ihr ging es genauso, hatte sie gesagt.
Der Wind sammelte sich an den Straßenecken und empfing ihn jedes Mal kalt, wenn er abbog. In den letzten vier Monaten waren sie Hand in Hand hier lang gezogen, hatten die langen Winterabende lachend und redend miteinander geteilt. Es war Marias Viertel. Sie lebte seit Jahren hier und zeigte ihm, der hier fremd war, das Leben. Das hatte ihm gutgetan. Wärme und Nähe. Jetzt alleine an den Bars, Kneipen, Restaurants und den kleinen fantasievollen Geschäften fühlte sich merkwürdig an.
Ein Ende war schon bald nach dem Anfang abzusehen gewesen. Zu groß die Unterschiede: Da die Frau, dort der Junge. Da die Mitte des Lebens, dort die Suche nach dem Weg. Sie hatten es beide gewusst, wenn sie sich lange in die Augen schauten und nach Antworten suchten. Ausgesprochen haben sie es nie. Sie konnte nicht, er wollte nicht. Warum auch?
Jetzt wo sich in ihm die Erkenntnis breit macht, dass etwas zu Ende gegangen war, fühlte er sich wie in einem Roadmovie.
Irgendwie seltsam. Ergriffen. Traurig.
Dahinter liegt ein Anfang.
So ist das Leben, könnte ich als Fazit ziehen. Knapp skizziert, wobei mir dann das Ende sehr plötzlich und lapidar kommt, verglichen mit der fast euphorischen Entstehungsbeschreibung; aber so ist es wahrscheinlich häufiger.
Das vorletzte Foto (das mit Treppe und dem Riss in der Wand, s/w) passt hervorragend!
Sonnigen Sonntag mit freundlicherer Atmosphäre als die dieser kleinen Story – wünscht HF
Hallo Hans,
das Ende von etwas Großem kommt ja oft etwas lapidar und manchmal auch unerwartet. – Genauso soll es wirken.
Lg,
Werner
Hallo Werner,
das ist so eine Geschichte, die nachwirkt, die zum Nachdenken anregt, zum Nachfühlen, zum Vergleichen mit dem, was man selbst erlebt und empfunden hat. Es fällt mir schwer, dazu ein paar Sätze zu schreiben, leider.
Mir gefällt dazu das dritte Bild besonders, man nimmt seine Perspektive ein, schaut aus dem Dunkeln ins Licht, beobachtet das Treiben auf der Bühne des Lebens und fühlt sich ein bisschen ausgeschlossen.
LG, Conny
Hallo Conny,
letztlich ist es eine Geschichte von Ende und Anfang. Passend zum Start des Frühlings…
Lg,
Werner
Schön…traurig, aber trotzdem schön und sehr lebensnah … 🙁
LG, Netty