Letztens in Basel…
Photographieren und Leben, das hängt eng zusammen,ist kaum voneinander zu trennen. Was sich beim einen verändert hat, wirft ein Licht auf das andere. Zum Beispiel hob man damals eine Kamera vors Auge, um dann durch den Sucher zu schauen. Jetzt halten wir das Gerät, meistens ein Smartphone, eine Armlänge von uns weg und schauen auf den kleinen Bildschirm, nicht mehr auf das Objekt selbst. Die neue Körperhaltung beschreibt eine neue innere Haltung. Der Akt des Photographierens ist von dem technischen Gerät bestimmt, nicht mehr vom Verhältnis unserer Augen zum anderen und zur Welt.
Aus: Wim Wenders „Sofortbilder“, Schirmer Mosel
Dieser Wenders begleitet mich und er klopft immer wieder an, wenn ich Menschen beim Aufnehmen ihrer Umwelt beobachte. Diese „neue innere Haltung“ von der Wenders spricht, drückt sich am Ende durch ein wachsende Entfremdung von der Welt aus: Das Auge ist nicht mehr an der Welt. Das Auge ist am Bildschirm, der mir die Welt so zeigt, wie sie (nicht) ist. Andererseits: war es nicht schon Platon, der uns mit seinem Höhlengleichnis glaubhaft machen wollte, wir sähen stets nur ein Abbild der Wirklichkeit? Entspricht dann nicht das Betrachten der Welt über den Bildschirm meiner Kamera diesem Gleichnis?
Unser verändertes Verhältnis zur Welt spiegelt sich in unseren Fotos: Wir (selfies) spielen darin längst eine der Hauptrollen, Wir zeigen, wie wir in dieser Welt sein wollen: Zwischen Tofuburger und Aperol, auf Mallorca und in Berlin. Die Welt als Kulisse.
Letztens in Basel war dieses Phänomen wieder zu bestaunen. Auch die Werke Picassos (wunderbare Ausstellung „der junge Picasso“) dienten als Kulisse der Selbstinszenierung. Doch wenn, wie Wenders ausführt, Photographieren und Leben eng zusammenhängen, dann sind diese Formen der Selbstdarstellung auch Ausdruck unseres Lebens. Zeitgeist. So wandelt sich die Photographie von einer Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bildern die Welt zu erschließen zu einem Medium, mit dem demonstriert, wo und wie man Teil dieser Welt ist. Und dies eben massenhaft.
Das ist aber wieder ein anderes Thema…
Das ist wieder Nachdenkstoff. Danke für die Anregung!
An die kleinen leuchtenden Monitore hinter der Kamera oder auf dem Smartphone hat man sich (habe ich mich) schon viel zu sehr gewöhnt. Was mir noch geblieben ist, ist eine erhebliche Aversion gegen elektronische Sucher. Ich will durch die Kamera in die Welt sehen. Das natürliche Licht, die natürliche Helligkeit und Farbe. Bewegung ohne Verzögerung oder Nachziehen oder Flimmern. Ich will nicht auf ein Abbild der Welt schauen. Das kommt danach früh genug. Wenn die Welt schon vor der Fotografie zum Abbild wird, geht auch mir gefühlt etwas verloren. Deswegen haben meine Kameras noch optische Sucher. Alle. Bis auf das Smartphone, ja.
Und wenn der Monitor ganz verschwindet, wenn die Kamera wieder analog ist, dann reicht mir ein 36er Film plötzlich Wochenlang. Das hab ich noch nie ganz verstanden. Wenn die unmittelbare Betrachtung des Abbildes, das man von der Welt gemacht hat entfällt, dann mache ich automatisch viel weniger Bilder. Nicht aus Sparsamkeit. Das muss ein anderer Mechanismus sein.
Danke für den Gedanken: Steff
wie sich unsere Gedanken manchmal ähneln. Und wie schön das ist. Danke!
Lg,
Werner