Wie geht es Ihnen heute?
Zeit online fragt mich jeden Tag: „wie geht es Ihnen heute?“ – Das finde ich ziemlich prima. Man sollte sich diese Frage tatsächlich täglich selbst stellen. Doch, was machen wir stattdessen? Wir tun erst einmal unsere Pflicht: Job, Staubsaugen, Einkaufen, Wäsche waschen. Das nämlich haben wir so gelernt: Meine Generation. Also die, die heute überall fett an Schreibtischen sitzt, Wachstum und Konsum generiert (oder wenigstens darüber redet und es predigt) und im Büro über einen Monitor NTV laufen lässt, um die Entwicklung der Börsenkurse zu verfolgen. Manche von uns machen sich lustig über Greta und „friday for future“ , über „Genderwahn“ und „#metoo-Debatten“. Manche nennen uns „alte weiße Männer“ (gemeint sind aber wohl auch „alte weiße Frauen“, denn bitte: wir leben in Zeiten der Gleichberechtigung).
Da bleibt ja gar keine Zeit für eine Antwort auf die Frage „Wie geht es Ihnen heute?“ – Und wenn doch, fällt sie spärlich aus: „Danke, gut“. Es ist die inhaltsleere Phrase all jener, die keine Zeit haben und ihr Glück in der Pflicht gefunden haben (Job, Einkaufen, Wäsche ….und so….. ihr wisst schon). Diese Antwort ist eine andere Umschreibung für „ich muss funktionieren“
Ich fürchte, eine massenhafte aufrichtige Beschäftigung mit „dem eigenen Zustand“ hätte gesellschaftszersetzendes Potenzial. Möglicherweise bedeutete es das Ende der Pflicht, so wie wir sie heute kennen. Und mal ehrlich: wäre das so schlimm? Hören wir in uns und fragen uns wie es uns geht. Lasst die Antwort revolutionär sein. Folgende Generationen werden uns dankbar sein.
Es geht um soviel mehr, als nur zu pflichtbewusst zu funktionieren. Am Ende geht es um ein – im besten Sinne des Wortes – gutes Leben. Und darum, es auch unseren Enkeln zu ermöglichen.
Vielen Dank für diesen Beitrag
LG Bernhard
ein text, der auch mit mir soviel zu tun hat – obwohl ich eher die generation danach bin. oder noch eine danach? ich hab da den überblick verloren. funktionieren, phrasen, floskeln – all das ist nach wie vor so präsent und fühlt sich doch so falsch und unecht an.
Ja, Paleica, so geht es mir auch so oft. Es fühlt sich falsch und unecht an.
Lg,
Werner
Ui, mal wieder schöne Fotos. Sie strahlen Ruhe aus und Sinnlichkeit. Ich habe ein gutes Buch gelesen:) von Catalin Dorian Florescu, übrigens auch ein feiner Romanschreiber. Hier der Klappentext von seinem aktuellen Essay: „Wir leben in einer hysterischen Zeit, die zwar materiellen Wohlstand und unablässige Kommunikation gewährleistet, das Individuum aber mit seinen Gefühlen der Vereinzelung allein lässt. Doch nach dem Scheitern der großen politischen Utopien sehnen wir uns umso mehr nach Glück, Verbundenheit und Nähe, sind aber in einem fragmentierten, beschleunigten Alltag gefangen. Dagegen setzt der humanistische Psychologe und Schriftsteller Catalin Dorian Florescu das Bild eines ruhigen, kreativen, beziehungsfähigen Menschen. In der selbstbestimmten Konzentration auf das eigene Ich vermag das Individuum die Aufmerksamkeitskrise unserer Zeit zu überwinden und sinnvolle Beziehungen zum Anderen und zur Welt aufbauen.“ Wir wissen das eigentlich alles, aber es tut gut, es so noch einmal schriftlich zu haben. 🙂 Wie geht es mir ? ……gute Frage ! Ãœberhaupt sind Fragen gut.