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Breite Straßen

„Sie erwähnten, dass Sie sich als Fotograf des Lebens verstehen …

Genau. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Freund, zu dem ich wirklich aufsah und von dem ich mir Ratschläge geben ließ. Er sagte, in puncto Fotografie sei es wichtig, die eigene Spur zu finden und nicht zu verlieren. Ich habe damit gerungen, weil mir so viele verschiedene Genres der Fotografie gefallen haben. Ich dachte, wenn es das ist, was ich für den Rest meines Lebens machen möchte, warum um alles in der Welt sollte ich mich dann in eine Spur einordnen, wo die Straße doch so breit ist? Ich ermutige die Menschen, so viele Genres der Fotografie zu erforschen, wie sie können. Und deshalb sage ich, dass ich mich als Fotograf des Lebens sehe. Solange ich eine Kamera um den Hals habe, möchte ich in jeder Situation, die das Leben für mich bereithält, fähig, gewappnet und in der Lage sein, ein Foto zu machen.“

Aus dem Leica-camera.blog.de / Interview mit dem Fotografen Joe Greer

Ja, möchte ich da laut rufen: Joe, du hast ja so recht! It`s all about our lives. Und das Leben ist weder nur grell bunt, noch nur schwarz-weiß. Es besteht nicht nur aus Hochzeiten, Reportagen oder den Formaten 4:3 oder 16:9. Es hat nicht in Pastelltönen gebadet, ist nicht (nur) minimalistisch (ganz im Gegenteil!), ist weder vegan noch fleischfressend. Die Vielfalt macht’s! – Die Straße ist so breit, also raus aus der Spur.

In der Spur da muss ein „Feed“ geordnet, strukturiert sein. Er muss einen „Look“ haben: Wofür stehst du? – Marketingsprech eben. Wer`s denn glaubt! Genormt und ebenso langweilig wie ein begradigtes Flussbett (und wie gefährlich so ein gerades und langweiliges Flussbett sein kann, sehen wir alle gerade miteinander )

Auf der breiten Straße pulsiert es. Da geht es laut und bunt zu. Widersprüchlich und komisch. Keinerlei genormter Feed, nur ungeordnetes und fettes Leben.

Am Ende eines genormten Auftritts im Web aber, wartet schon die Langeweile. Und sie trägt die Ideenlosigkeit im Gepäck. Aber den Machern ist das eh egal: Menschen ohne Ideen und mit viel Langeweile sind ihre Zielgruppe.

Arm ist eben nicht wer wenig hat, sondern viel braucht (nach Peter Rosegger).

Der Begriff „Social Media“ impliziert noch immer, dass es auch um ein Miteinander geht: Das Teilen von Erlebnissen, Bildern, Erinnerungen und Worten. Vergessen wir`s. Am Ende geht’s immer ums Geld. Und es geht um die Dinge, von denen wir heute nicht wissen, dass wir sie morgen unbedingt brauchen. So macht auch die Ankündigung von Instagram Sinn, bald keine Plattform zum Teilen von Bildern mehr sein zu wollen: Pff, Bilder! – Take this advertisment and buy my products. (Aber ich wiederhole mich…)

Also raus auf die breite Straße. Das Leben im Blick. (Und dann über eigene Portale teilen).

Website Joe Greer (man benötigt übrigens nicht zwingend eine Leica, um zu fotografieren)

DIe Fotos dieses Beitrages gehören zu der kleinen Serie „Randzonen“.

7 Kommentare

  1. Vielen Dank lieber Werner für diesen schönen und treffenden Beitrag.
    Ich kann diese Sichtweise gerade gut für meine Orientierung gebrauchen.

    Lieben Gruß, Bernd

    • Werner Pechmann

      Sehr gerne. Ich brauche die Orientierung auch öfters mal wieder neu.
      Liebe Grüße,
      Werner

  2. Interessanter Beitrag mit einer interessanten Sichtweise! 🙂

    Tatsächlich sehe ich das bei einem Punkt etwas anders als du, auch wenn da sicherlich unterschiedliche Meinungen und Erfahrungen zusammen herrschen und das ist vollkommen okay 🙂
    Hier schreibst du: „Auf der breiten Straße pulsiert es. Da geht es laut und bunt zu. Widersprüchlich und komisch. Keinerlei genormter Feed, nur ungeordnetes und fettes Leben. Am Ende eines genormten Auftritts im Web aber, wartet schon die Langeweile. Und sie trägt die Ideenlosigkeit im Gepäck. Aber den Machern ist das eh egal: Menschen ohne Ideen und mit viel Langeweile sind ihre Zielgruppe.“

    Ich finde es interessant, dass ein ästhetischer, oder für dich eben angeglichener Feed direkt mit Langeweile und Ideenlosigkeit einherzugehen scheint. Ich habe für mich, wenn es um Instagram geht, zwei Sachen festgestellt:
    1. Früher war ich experimentiervoller. Habe stärker bearbeitet, krasse Texturen ausprobiert, kein Bild glich dem anderen. Heutzutage ist vieles mitunter einfach mehr ein Stil, eine Wahrnehmung, die für mich eben auch Wiedererkennungswert schafft.
    2. Solch ein geordneter Feed hat für mich tatsächlich sehr viel mit Kreativität, einem eigenen Stil und der Sprache als Fotograf zu tun. Was will ich aussagen? Wie kann ich das erreichen? Und fotografisch noch viel schwerer? Wie kann ich das innerhalb des Rahmens, den ich mir vorgenommen habe oder auf den ich mich konzentriere?
    Motivisch lege ich mich auch im Grunde nicht fest. Das Leben bietet so viel schönes und interessantes zum Fotografieren, wenn ich mich da festlegen würde, würde mir anderes vielleicht entgehen. Man kann jetzt sagen, dass ohne einen einheitlichen Stil und Feed das Leben mehr als Bunt sein beschrieben wird, anstatt als in eine Form gepresste Sache, denn das Leben ist nun mal nicht ordentlich oder nur braun und erdfarben 😉 Aber gleichzeitig sehe ich darin wiederum auch ein Mittel, bewusst Themen, Motive, Farben etc. zusammenzustellen, zu suchen, darauf zu achten und diese vordergründig zu betrachten, wenn man vorher nicht darauf geachtet hätte. Oder festzustellen, was man am liebsten fotografiert, was für eine Blende, welches Objektiv etc. Mein Feed ist da gerne eine Mischung. Geordnet, Ästhetisch, durchaus mit einem Stil erkennbar, aber nie farblich oder motivisch so angeglichen, dass man schnell beim scrollen das Gefühl hat, immer das gleiche Bild zu sehen, das bringt nämlich nichts.
    Das sind nur mal meine Gedanken dazu, wie gesagt, ich finde der Mittelweg machts! 🙂

    • Werner Pechmann

      Hab vielen Dank für deine Gedanken zum Thema: Natürlich hast du Recht: Es ist jedem selbst überlassen, was er tut und macht und wie er die einzelnen Medien (wie Instagram) für sich nutzt. Ich bin in der glücklichen Situation, nicht von der Fotografie leben zu müssen und daher keiner Zielgruppe verpflichtet. Sprich: Ich muss mich nicht vermarkten. – Denn das ist Instagram ja: ein Plattform für das Selbstvermarkten (oder im Marketingsprech: für das Selfbranding). Menschen, die hier ihre Kunden finden (müssen) müssen ja „sichtbar“ werden und folglich mit und ihrem Feed Dinge tun, um ihre potenziellen Kunden zu erreichen. Ich finde es nur schade, wenn dies letztlich dazu führt, dass man (aus einer längerfristigen Perspektive heraus) vor allem Fotos in Pastelltönen, im minmalistischem Stil oder ähnliches sieht.
      Das führt zu einer Normierung, die wiederum auf andere abfärbt. So entwickeln sich dort mehr oder weniger monotone Serien, die ich als sehr langweilig wahrnehme.
      Aber das ist natürlich alles eine sehr subjektive Wahrnehmung von mir. Ich bedauere es zutiefst, dass sich diese Kanäle zu Konsumbeschleunigern entwickeln. Das ist meine eigentliche Kritik: Es geht sehr oft nur um den Kommerz.
      Kunst bleibt dahinter zurück und leider auch oft auf der Strecke.

      Hab nochmal vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Er hat mir Stoff zum Nachdenken gegeben. Das schätze ich sehr.
      Liebe Grüße,
      Werner

  3. lieber werner, ich mag deine bildsprache und ich mag deine wortsprache.. und ich finde es einen schrägen zufall, dass mir peter rosegger heute schon zum zweiten mal hier begegnet. er war der lieblingskünstler von meinem opa, sie waren beide in der gleichen region zuhause. in meiner rede zu seiner verabschiedung am donnerstag hatte ich ihn auch zweimal zitiert.

    • Werner Pechmann

      Nein, das ist ja irre! – Und irgendwie schön. …. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann man einfach nicht erklären. Gut so!
      Danke für deine lieben Worte, Paleica. Ich denke öfters an dich und deinen Opa.
      Alles Gute und viel Kraft!

      Werner

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