„alles was ich machen kann ist, ich selbst zu sein, wer immer das sein mag.“
Bob Dylan
Wie bin ich zu ihm oder besser: wie ist er zu mir gekommen? Dieser Bob Dylan, dessen Stimme bisweilen so klingt als käme sie „über die Mauern einer Tuberkulose-Anstalt“.
Ich sehe mich noch als pubertierende Bohnenstange in kurzen Hosen und mit jeder Menge ausschweifender Träume. Meine Tage waren im Zweitakt zwischen Schule am Morgen und Nachmittagen mit Musik und Freunden. Erste Erfahrungen mit billigem Rotwein, ein (klein) wenig nackter Haut, und Zigaretten. Große Pläne für ein „Irgendwann-mal“ wurden geschmiedet und die Hits der Radiosender auf dem Kassettenrecorder mitgeschnitten. Und logisch: Auch wir waren die Größten. Na ja: wir wollten es auf jeden Fall einmal werden.
Und dann war da noch mein Bruder: Sieben Jahre älter als ich, verkörperte er alles, was ich nicht war (aber unbedingt sein wollte) und nicht hatte (aber unbedingt haben wollte): Lange Haare, eigenes Geld, eine Musikanlage, LP`s und Poster an der Wand. Dort hingen Jim Morrison und die Portraits von John, Paul, George und Ringo. Er ging bei uns zu Hause ein und aus wie er wollte. Und: er hatte coole, langhaarige Freunde.
Und da war „seine“ Musik, mit der er das Haus beschallte (sehr zum Leidwesen meiner Eltern): Deep Purple, the Doors, Roxy Music, the Faces, David Bowie… um nur einige zu nennen.
„Play it fuckin`loud!“
Heute überlege ich manchmal, wie alt ich damals eigentlich war. Ich meine: Wann genau war das eigentlich? Tatsächlich aber kann ich mich an ein Datum nicht erinnern. Gefühlt verdichten sich mehrere Jahre in einen „ewigen Sommer“.
„Take care of all your memories. For you cannot relive them“.
Und an einem Punkt dieser storchenbeinigen Endlosigkeit, klang aus dem Zimmer meines Bruders eben diese Stimme ( mit Sand und Kleber…. wie es David Bowie in seinem Song „song for Bob Dylan“ beschrieb)
Mit „Lay, lady, lay“ und „Girl from the north country“ erfolgte mein Einstieg in das Dylan-Universum, in dem ich bis heute herum mäandere – nicht ständig, aber immer wieder. Und immer wieder gibt`s da was Neues zu entdecken.
Nun wird er am 24. Mai achtzig Jahre alt.
“Life is more or less a lie, but then again, that’s exactly the way we want it to be.”
Mein Leben ohne ihn, seine Songs, seine Texte und Gedanken, wäre wohl ein anderes geworden.
Ein paar Leseempfehlungen zu Dylan und seiner Welt gibt es hier.
Noch ein Lesespaß zu Dylan: Jokerman von Stefan Kutzenberger. Bin gerade auf den letzten Seiten des Buches. Feine Lektüre über den Versuch aus Dylan-Songs die Welt zu deuten. https://www.piper.de/buecher/jokerman-isbn-978-3-8270-1424-5
Vielen Dank für diesen Tipp. Toll!
Liebe Grüße,
Werner
Vielen Dank für die Laudatio lieber Bruder!
So ist gewesen, lieber Bruder!
……die “ großen “ Geschwister. Bei mir waren es drei große Schwestern. Da waren es vor allem die Hippieklamotten und der Lippenstift. Später dann bei mir im “ Haus der Jugend“ Jethro Tull und „Locomotive Breath “ viel Shit und Herman Hesse und Bob Dylan nur temporär…..aber doch auch einprägsam. 🙂
… so rein literarisch gesehen war es bei mir Heinrich Böll. (Daneben aber auch viel Schrott. Aber den braucht es auch :-))
Wie gut doch ältere Geschwister sind.
Liebe Grüße,
Werner
so schön geschrieben. ich mag deine texte übrigens sehr lieber werner, das wollte ich an dieser stelle mal festhalten. magst du „I’m not there‘? ich fand den film toll, hatte aber das gefühl, viel zu wenig über herrn robert zimmermann zu wissen, um ihn wirklich zu verstehen und nehme mir seit über 10 jahren vor, das endlich mal zu ändern…
Danke Paleica. Ein wunderschöner Kommentar.
Den Film kenne ich, klar. ABer wirklich verstehen (im Sinne von „interpretieren“) kann man ihn tatsächlich nur, wenn man mal ins Dylan-Universum eingetaucht ist (was ich jedem gerne empfehle. Wenn man seine Musik nicht mag: die Texte sind es!)
Liebe Grüße,
Werner
Uhhh year. Ja, man schnappt was auf und zu – und es bleibt erhalten -prägt.
Dylan war mir in jenen Jahren auch mal (kurz) wichtig.
Die LP-Seite aus dem Bangladesch-Konzert aus dem Radio aufgenommen, war eine der frühesten Dylanerfahrungen – und natürlich „Hurrican“, wer hat die 7 Minuten Version vollständig? So war’n se halt, unsere „Probleme“ jener Tage.
Letztlich bin ich aber vor allem an der „street legal“ kleben geblieben.
Gefolgt von der „Infidels“ und der „shot of love“.
Ja, so ist es: Prägende Momente, die eine Ewigkeit bleiben.
Street legal war meine zweite LP von Dylan (nach Blood on the tracks). Das Album mag ich auch sehr. Und ja: Infidels. Dann wieder so anders.
Wahrscheinlich hat jeder, der Dylan begegnet ist, sein eigenes Lieblings-Album. Auch das macht ihn ja aus.