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Im Ungefähren

„Wer mit der Bahn fährt, der muss damit rechnen anzukommen….

Diesen Satz las ich neulich irgendwo. Und er ist bei mir hängengeblieben. Ich finde ihn so passend: Hier bei uns.

In ihm drückt sich so eine zarte Unbestimmtheit aus, die ich mittlerweile als so zutreffend für so Vieles hier um uns herum empfinde. Man kann ihn in leichter Abwandlung schnell auf andere Lebensbereiche übertragen:

… Wer in die Schule geht, muss damit rechnen Bildung zu erhalten…

… Wer einen Personalausweis beantragt, muss damit rechnen ihn (irgendwann) auch zu bekommen..

... Wer beim Arzt wegen eines Termins anruft, muss damit rechnen, einen zu bekommen….

… wer mich wählt, muss damit rechnen, dass er Respekt bekommt…

Wir bleiben in diesem Land inzwischen gerne beim Ungefähren. Wir – die Perfektionisten des Spaltmaßes (auf das wir doch so stolz sind) – richten uns gerade im Zustand des „Nicht-Seins“ ein. Ein Bereich, irgendwo zwischen „Abfahrt“ und „Ankunft“, ohne allerdings jemals losgefahren zu sein. Eine Zeit irgendwann zwischen den Jahren, an denen man keine Tage zählt.

Ich ertappe mich dabei, daran schon nichts Ungewöhnliches zu finden und das Ungefähre immer im Gepäck zu haben. Es erleichtert das tägliche Leben.

Nichts zu erwarten, erspart eben manche Enttäuschung. Und hinterher ist auch niemand so wirklich verantwortlich. Schließlich hat man sich ja nie so richtig festgelegt. Und was man nicht festlegt ist in der Folge auch nicht messbar. DEAL!

Wir machen ja jetzt so gerne Deals. Auch ein Wort, was schlussendlich keine großen Erwartungen weckt. Im Gegenteil: Ein Deal kann ja auch ein Fake sein, bei dem man sich auf etwas einigt, was am Ende gar nicht Gegenstand der Verhandlung war. Ja, es ist kompliziert. Ich weiß. So ungefähr jedenfalls.

Die Bilder sind so ungefähr vor kurzem irgendwo am Meer entstanden. Dort waren wir tatsächlich angekommen aber im Ungefähren geblieben.

Allerdings ohne Bahn gefahren zu sein.

5 Kommentare

  1. die bilder <3 "wer keine entscheidungen trifft, wird sein leben auf dem flur verbringen" ist mir dazu eingefallen. ein geflügeltes wort, über das ich immer wieder stolpere und je nach kontext kann das mal gut oder schlecht sein. ich bemerke diesen trend der zeit auch und ich denke, dass es nachvollziehbar ist, aus all der gewissheit, mit der lebenslinien früher definiert waren, aus der kollektiven erinnerung heraus auszubrechen zu wollen ins absolut ungefähre, wie du es so schön nennst. aber es birgt auch große, grobe schwierigkeiten.

    • Werner Pechmann

      Dieses „Ungefähre“ (oder wie du es vielleicht nennen würdest: „Das Leben auf dem Flur“ – [übrigens wunderbar!]) ist in der Dauerschleife, in der wir mit diesem Zustand leben, für eine Gesellschaft wohl kaum zu ertragen. Nichts geht voran, alles bleibt vage. Auch unsere Ziele und damit auch die Zukunft.
      Das kann nicht gutgehen.
      Liebe Grüße,
      Werner

  2. Lieber Werner, und wieder hast du mich erwischt…
    Ja, das ungefähre, die letzte Möglichkeit ist immer noch ein Rettungsanker, was geht da verloren?

    Danke für die Anregung!

    Und danke für den Satz:
    „Wer mit der Bahn fährt, der muss damit rechnen, anzukommen.“

    Ich mag den Satz sehr. Wenn ich Songs schreiben würde, würde ich ihn mir ausleihen… 🙂

    Herzliche Grüße Jürgen

    • Werner Pechmann

      Das Ungefähre, nicht Messbare, jederzeit Negierbare ist zu unserem täglichen Begleiter geworden: Ja, tatsächlich, sowas wie ein Rettungsanker.
      das Ungefähre kommt so daher, wie das schöne Adjektiv „technologieoffen“ – Denn wer will schon für sich sagen, dass er gegen den Fortschritt ist? Mit Technologieoffenheit kriegt man jeden.
      Bleib wohl gelaunt und munter
      Liebe Grüße,
      Werner

  3. Dieses Ungefähre mag auch Resultat sein von der gesellschaftlichen Reaktion auf Standpunkte, Überzeugungen und überhaupt, Entscheidungen zu irgendwas zu verlautbaren. Schwierig zur Zeit mit Kompromiss und Akzeptanz. Man bekommt gefühlt von allen Seiten einen auf die Mütze.

    – „Wer konkret wird, muss damit rechnen, dass es anstrengend wird..“

    Alles hält sich bedeckt, bloß nicht zu weit rausrecken. Manchmal denke ich, dass Aktive nur noch an Rändern zu leben. In der gute, alten Mitte ist nicht mehr viel in Bewegung. Eigentlich schade, dass so schöne Beiträge wie dieser höchstwahrscheinlich nicht im Ungefähren gelesen werden.

    Herzlich, Dirk

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