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Das Leben im Plötzlichen

„Wenn man es genau bedenkt, ist vom Anfang aller Tage an alles immer schlechter geworden. Luft und Wasser sowieso, dann die Manieren, die politischen Persönlichkeiten, der Zusammenhalt unter den Menschen, das Herrentennis und das Aroma der Tomaten.“

Roger Willemsen

Tatsächlich wird man sich seines Älterwerdens am ehesten im Spiegel der eigenen Kinder bewusst: Scheinbar aus dem Nichts gewachsen, steht mein Sohn neben mir, ist mehr als einen Kopf größer und auf Schulterhöhe doppelt so breit. Gerade gestern noch war er klein, schmal – fast zierlich -, blond und spielte am liebsten mit Matsch im kleinen Sandkasten neben dem Haus.

Na gut, all das  geschieht natürlich nicht „plötzlich“ – es fühlt sich aber so an. Das Plötzliche hat Ähnlichkeit mit gesellschaftlichen Vorgängen, wie der Energiewende, der Elektromobilität, dem Deutschlandticket, der Forderung nach einem Tempolimit  oder anderer „ganz plötzlicher“ Veränderungen: All das geschieht ja…. genau:  plötzlich. Mit einem Mal will und soll alles anders sein. 

Wieso nehmen wir (oder ich) das alles  als „plötzliches Ereignis“ wahr?  

Blick vom „Kickelhahn“

Der kleine Mann in meinem Ohr weiß es wieder einmal besser: „Ey Alter“, flüstert er, „diese Wahrnehmung ist wohl altersbedingt. Cool down! Die Welt verändert sich beständig – nichts ist plötzlich – und keiner fragt dich vorher, ob sie das darf“.

Soweit kein Aufreger. Das war ja schon immer so. Aber heute leben wir ja in einer Zeit, wo jeder Anschein einer gefühlten Veränderung mit Schlagzeilen versehen in der Gier nach Likes, Clickbaits und am Ende nach Umsatz und Gewinn wie eine Sau durchs Dorf gejagt wird. Die Folgen hieraus sind eben auch dauerhaft gefühlte „Plötzlichkeiten“, die zu wutschäumenden Schlagzeilen zusammengepresst werden, um Lust durch Wut und Hass zu generieren.

So plötzlich also finde ich mich an einem Wochenende in Thüringen wieder. Neben diesem erwachsenen Mann, der mein Sohn ist und doch so anders als der kleine Junge aus dem Sandkasten von gestern: Groß, erwachsen, klar und ernsthaft.

Ganz plötzlich nehme ich die Zeit wahr, die seit dem Sandkasten ins Land gegangen ist. Und mit sich genommen hat sie die Leichtigkeit. Dafür haben wir jetzt SUV`s. So ganz plötzlich.

Wir haben zwei gute Tage: Laufen, reden, gutes Essen. Endlich wieder Fußball-Bundesliga. All das in der Kulisse der Goethe-Romantik, in der sich überraschend viele Menschen aufhalten und sich für hippe Insta und Tiktok-Stories inszenieren. Das Leben wird fortgeschrieben. Mit all seiner Plötzlichkeit.        

4 Kommentare

  1. das hast du sehr schön bemerkt und in worte und bilder gefasst. ich glaube, dass die plötzlichkeit etwas ist, das menschen instinktiv angst macht und dass die medien das sehr gut beherrschen zu nutzen und einzusetzen. auf etwas plötzliches kann man sich nicht die zeit nehmen, reflektiert zu reagieren. vielleicht sollten wir uns ein beispiel an den ents und baumbart nehmen. „nicht so hastig“ und die information aus all der daraufgeschriebenen plötzlichkeit herausdröseln. wenn das denn gelingen will.

    • Werner Pechmann

      Im Grunde wünsche ich uns allen ein wenig mehr Baumbart sein zu können, anstatt ewig getrieben durch die Welt zu hasten.
      Das würde uns sehr guttun.

  2. Bludgeon

    Tolles Wandbild oben!

    Gefällt mir sehr.
    Das mit der plötzlich vergangenen Zeit – is jetz so eine Sache.
    Nicht alles, was uns mies vorkommt, ist „Alter Männer Klaps“. Gar Manches wandelt sich real in Richtung Scheiße.
    Aber – uns geht’s nichts mehr an. Wir sind nicht mehr lange genug da.
    Abwink.

    Warum ist der Like-Button weg?

    • Werner Pechmann

      Der Like-Button ist bei einer Ãœberarbeitung der Seite irgendwie auf der Strecke geblieben…. Muss ich mich mal kümmern.
      Liebe Grüße,
      Werner

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