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In meinem wilden Herzen

„… wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben….“

Nach einem langen und heißen Sommer ist das Gefühl, wieder schweren Jeansstoff an den Beinen zu spüren, befremdlich. Und erst eine Jacke: Sie trägt schwer wie Blei und unterstreicht das Gefühl des Beengt-Seins, was sich fast zwangsläufig einstellt, wenn nun auch die Tage kürzer werden und die Abende auf der Terrasse zur Erinnerung werden.  

Eine sehr lange Zeit war mir, als könne es ewig so weitergehen: Kurze Hosen, T- Shirt. Barfuß,… basta! 

Und nun fegen doch die ersten schwereren Winde über uns hinweg und erinnern uns schmerzhaft daran, dass alles endlich ist: Auch die Leichtigkeit und Weite eines Sommers, der mit Superlativen wahrlich nicht sparsam umgegangen ist. 

Herbst, Winde, Kraichgau, Himmel

Doch erst diese Endlichkeit macht diesen Sommer zum Erlebnis. Sie ist es, die uns immer wieder daran erinnert (oder erinnern sollte), wie gut es uns doch geht, hier in Mitteleuropa: Der Wechsel der Jahreszeiten, die so verlässliche Abfolge von Werden, Sein und Gewesen sein.

Alles uns so selbstverständlich. Wir nehmen es als gegeben hin und erwarten die bleibende Konstante. Dass sich daran jemals etwas ändern könnte, kommt uns nur schwer in den Sinn.

Ja, so sind wir.

Und so legen wir die Gedanken Veränderungen (vielleicht durch einen Klimawandel) nach einem langen, trockenen und heißen Sommer in die Schublade unseres Schreibtisches zurück. Nun ist es ja erst einmal Herbst: Mit hohem Himmel, wilden Wolken, Regen und Sturm. Und hoffentlich auch mit schönen Erlebnissen und Gedanken. Genießen wir ihn: auch er ist endlich!    

 

In meinem wilden Herzen

Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? –

Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt –

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; –
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.

(Rainer Maria Rilke)

Herbst, Winde, Kraichgau, Himmel

 

 

4 Kommentare

  1. Du sprichst mir aus dem Herzen. Wunderschön geschrieben!
    Viele Grüße aus Stuttgart
    Karin

  2. die schönheit zieht einen teil ihres zaubers aus ihrer vergänglichkeit. habe ich vor vielen jahren gelesen und es hat sich eingeprägt. schöne worte, schön bilder!

    • AlleAugenblicke

      Was für ein wunderbarer Satz! Danke!
      Lg,
      Werner

  3. PS: juhu, es sieht so aus als könnte ich endlich wieder bei dir kommentieren!

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